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Eine andere Entscheidung, die ich im Zusammenhang einer aktuellen Anfrage einer Mandantin herausgesucht habe.  Hier hatte ein für seine Streitbarkeit und Medienscheue bekannter Kollege erfolglos versucht, eine Bildberichterstattung über sich und seinen Mandanten zu verhindern. 

 

LG Berlin vom 5. Juni 2008 27 P 232/08

Tatbestand:
Der Kläger macht einen bildrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend.

Er war als Rechtsanwalt am 11. Februar 2008 im Kriminalgericht Moabit, um einen Mandanten zu begleiten, nämlich den Wirt, der mit einem 16-jährigen ein Wetttrinken veranstaltet haben soll, bei dem er dem 16-jährigen 43 Tequila ausgeschenkt und selbst Wasser getrunken haben soll. Der 16-jährige brach in der Gaststätte zusammen und starb später im Krankenhaus. Der Wirt war als Zeuge im Rahmen des Strafverfahrens gegen mehrere Angestellte des Wirts zur Vernehmung um 9:00 Uhr im Saal 618 geladen. Die Hauptverhandlung fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Der Beklagte ist Autor eines Beitrags über das Urteil gegen die drei Bediensteten, der am 11. Februar 2008 in der “Abendschau” des … gesendet wurde. Während der Arbeiten für diesen Beitrag hielt sich der Beklagte mit einem Team des … am Morgen vor dem Termin vor dem Saal 618 auf. Als sich der Kläger dem Saal näherte, wurde er gefilmt. Der Kläger verbat sich das. Filmaufnahmen vom Kläger wurden nicht gesendet. Die Aufnahmen vom Kläger sind vernichtet.

Auf die Aufforderung des Klägers mit Schreiben vom 12. Februar 2008, es zu unterlassen, das von ihm gefertigte Bildmaterial auszustrahlen und die Bildnisse zu vernichten, erklärte der … für den Beklagten, dass er berechtigt sei, in derartigen Situationen Bildmaterial anzufertigen, dass er das Bildmaterial nicht verwenden und vernichten werde. Mit Schreiben vom 14. Februar 2008 ließ der Kläger den Beklagten auffordern, sich zu verpflichten, es zu unterlassen, Film- und Tonaufnahmen vom Kläger zu fertigen, wie am 11. Februar 2008 geschehen, was der Beklagte ablehnte.

Personen, die im Bereich des Kriminalgerichts Bildaufnahmen fertigen wollen, erhalten hierfür eine Gestattung unter der Auflage, dass, wenn aus Anlass einer Gerichtsverhandlung gefilmt oder fotografiert wird, dies im Gerichtssaal, in diesen hinein und in den Wartebereichen sowie in dem Bereich vor dem Sitzungssaal nur mit Zustimmung bzw. in Abstimmung mit dem oder der Gerichtsvorsitzenden zulässig sei. Im Übrigen dürften im Haus befindliche Personen nur mit ihrer ausdrücklich erklärten Einwilligung fotografiert oder gefilmt werden.

Der Kläger behauptet, er lege Wert darauf, nicht in den Medien aufzutauchen, wenn es vermeidbar sei. Der Kameramann, der den Beklagten begleitet habe, unterstehe seinen Weisungen. Er, der Kläger, sei zu dem Termin gegen 8:45 Uhr auf dem mittleren Flur zwischen den Sälen 618 und 621 entlang gegangen, um den Saal 618 zu betreten. Der Beklagte habe den Kameramann angewiesen, die nicht laufende Kamera “anzuwerfen” und ihn, den Kläger, zu filmen, als er dessen angesichtig geworden sei. Der Kameramann habe ihn dann gefilmt, wie er von der Treppe zum Saal 618 gegangen sei, und damit auch nicht aufgehört, obwohl er mehrfach dazu aufgefordert habe, es zu unterlassen. Sein Mandant habe auf seine Bitten den Gerichtssaal über einen der Öffentlichkeit nicht zugänglichen

Zugang betreten dürfen.

Er habe ein Recht, dass künftige derartige Filmaufnahmen untersagt würden. Auf Rechercherechte dürfe sich der Beklagte nicht berufen, da es keine denkbare zulässige Verwendung der gefertigten Bildnisse gebe. Der Beklagte schulde ihm außerdem die Kosten für die Geltendmachung der Unterlassungs-, Auskunfts- und Vernichtungsansprüche, da er davon habe ausgehen müssen, dass die von ihm gefertigten Aufnahmen gesendet würden.

Der Kläger beantragt sinngemäß, wie folgt, zu erkennen:

1. Der Beklagte wird verpflichtet, bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgelds von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, es zu unterlassen,
Film- und Tonaufnahmen des Klägers fertigen zu lassen, wie auf des Beklagten Veranlassung am 11.02.2008 gegen 8.45 Uhr Uhr im Kriminalgericht auf dem Flur zwischen den Sälen 621 und 618 Altbau und beim Betreten des Saales geschehen.

hilfsweise,

es wird festgestellt, dass der Beklagte nicht das Recht hat,
Film- und Tonaufnahmen des Klägers fertigen zu lassen, wie auf des Beklagten Veranlassung am 11.02.2008 gegen 8.45 Uhr im Kriminalgericht auf dem Flur zwischen den Sälen 621 und 618 Altbau und beim Betreten des Saales geschehen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von der Inanspruchnahme durch die Rechtsanwälte Drs. … und … auf Zahlung von Anwaltshonoraren in Höhe von 859,80 € zuzüglich Zinsen von 5 % über dem Basiszinssatz der EZB jährlich seit dem Tage der Klagezustellung an freizustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er behauptet, der Kläger trete fortwährend in der Öffentlichkeit auf, gebe bereitwillig Zeitungs- und Rundfunkinterviews und lasse sich auch abbilden. Der Kläger sei erst um 8:54Uhr am Gerichtssaal erschienen. Er, der Beklagte, habe dem Kameramann keine Anweisung gegeben, den Kläger zu filmen, der vielmehr seiner routinemäßigen Arbeit nachgekommen sei, die Geschehnisse vor dem Gerichtssaal zu filmen.
An dem Strafverfahren habe ein erhebliches öffentliches Interesse bestanden, das sich aus der spektakulären Tat des Mandanten des Klägers ableite. Nach der neuen Fassung der Drehgenehmigung habe er vor dem Gerichtssaal drehen dürfen und habe gerade nicht jeden Anwesenden um Erlaubnis bitten müssen. Anhaltspunkte dafür, dass er, der Beklagte, sich über den Willen des Klägers hinwegsetzen würde, habe es nicht gegeben. Die Anträge seien unzulässig, weil er keine Weisungsbefugnis gegenüber dem Kameramann gehabt habe. Hinsichtlich des Hilfsantrags fehle es am Feststellungsinteresse.
Die Klage sei unbegründet, weil nur konkrete Bildnisse untersagungsfähig seien. Er habe aber auch den Kläger filmen dürfen und die Aufnahmen veröffentlichen.

Hinsichtlich des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:
Die Klage ist hinsichtlich des Hauptantrags zulässig, aber unbegründet, hinsichtlich des Hilfsantrags unzulässig.

1.  Dem Kläger steht der mit dem Hauptantrag geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 2 i. V. m. 1004 Abs. 1 S. 2 analog BGB, 22 f. KUG, Art. 1 Abs.1, 2 Abs. 1 GG nicht zu.

Zu Recht weist der Beklagte nämlich in diesem Zusammenhang auf die jüngste Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13. November 2007 (Az. VI ZR 265/06) hin. Danach kann im Bereich der Bildberichterstattung nicht mit einer vorbeugenden Unterlassungsklage über die konkrete Verletzungsform hinaus eine ähnliche oder kerngleiche Bildberichterstattung für die Zukunft verboten werden. Eine Prüfung der Zulässigkeit einer Bildveröffentlichung ohne Einwilligung erfordert vielmehr die Abwägung zwischen Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Interesse des Abgebildeten am Schutz der Privatsphäre (BGH a. a. O., Leitsatz). Unter II. 3. c) heißt es weitere: “Diese Interessenabwägung kann jedoch nicht in Bezug auf Bilder vorgenommen werden, die noch gar nicht bekannt sind und bei denen insbesondere offen bleibt, in welchem Kontext sie veröffentlicht werden (vgl. Senatsurteil vom 9. März 2004 – VI ZR 217/03 – a. a. O.).

Die entsprechenden Möglichkeiten sind derart vielgestaltig, dass sie mit einer ‚vorbeugenden Unterlassungsklage‘ selbst dann nicht erfasst werden können, wenn man diese auf ‚kerngleiche‘ Verletzungshandlungen beschränken wollte. Eine vorweggenommene Abwägung, die sich mehr oder weniger nur auf Vermutungen stützen könnte und die im konkreten Verletzungsfall im Vollstreckungsverfahren nachgeholt werden müsste, verbietet sich schon im Hinblick auf die Bedeutung der betroffenen Grundrechte.”

Der zugrunde liegende Fall betraf Fotos von einem privaten Urlaub einer bekannten früheren Schwimmerin, wobei sich der Presseverlag hinsichtlich der konkreten einzelnen Fotos verpflichtet hatte, diese nicht mehr zu veröffentlichen.
Kann aber sogar bei konkreten, einem Gericht vorliegenden Fotos keine Abwägung “vorweggenommen” werden, weil die Möglichkeiten einer auch kerngleichen Verletzungshandlung zu vielgestaltig sind, gilt dies erst recht bei Bildnissen, die im Zuge von Recherchen für einen Beitrag gefertigt worden sind und die der entscheidenden Kammer noch nicht einmal vorliegen. Welche künftigen “im Kern gleichartigen” Situationen von dem vom Kläger erstrebten Verbot erfasst sein sollen, ist nämlich unklar. Das Spezifische des erstrebten in die Zukunft gerichteten Verbots bliebe unklar, während es andererseits an der Untersagung der Verbreitung der gefertigten Bildnisse kein Rechtsschutzinteresse mehr gibt, weil diese unstreitig vernichtet worden sind.

Dafür, dass die Anfertigung des Bildnisses deshalb zu untersagen wäre, wie der Kläger meint, weil jedwede denkbare Verwendung dieser Bildnisse unzulässig wäre (vgl. hierzu KG AfP 2007, 139), fehlen jegliche Anhaltspunkte, wobei dabei vorliegend gar nicht entschieden zu werden braucht, ob eine Verwendung in der fraglichen “Abendschau” rechtswidrig gewesen wäre. Jedenfalls ist nicht feststellbar, dass aufgrund der äußeren Umstände der Herstellung des Bildmaterials jedwede rechtmäßige Verwendung, gegebenenfalls auch in einem anderen Kontext als dem der Gerichtsverhandlung vom 11. Februar 2008 ausgeschlossen gewesen wäre. Dies gilt um so mehr, als es sich bei der gerichtlichen Aufarbeitung der Geschehnisse, die zum Tod des 16-jährigen geführt haben, um Angelegenheiten von hohem öffentlichen Belang handelt und der Kläger als Organ der Rechtspflege und in dieser Funktion an den verschiedenen Strafverfahren Beteiligter, wenn auch in dem das Verfahren vom 11. Februar 2008 betreffenden nur als Zeugenbeistand, einen geringeren Schutz beanspruchen kann als die nicht in ihrer beruflichen Eigenschaft Beteiligten.

Denn “Äußerungen zu der Sozialsphäre desjenigen, über den berichtet wird, dürfen nur im Falle schwerwiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht mit negativen Sanktionen verknüpft werden, so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen sind. Tritt der Einzelne als ein in der Gemeinschaft lebender Bürger in Kommunikation mit anderen, wirkt er durch sein Verhalten auf andere ein und berührt er dadurch die persönliche Sphäre von Mitmenschen oder Belange des Gemeinschaftslebens, dann ergibt sich auf Grund des Sozialbezuges nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG eine Einschränkung des Bestimmungsrechts desjenigen, über den berichtet wird” (BGH NJW-RR 2007, 619). Der Einzelne muss sich in diesem Bereich von vornherein auf die Beobachtung seines Verhaltens durch eine breitere Öffentlichkeit wegen der Wirkungen, die seine Tätigkeit hier für andere hat, einstellen und setzt sich damit auch der Kritik an seinen Leistungen aus (BGH a. a. O.).
Eine Prangerwirkung oder Ähnliches ist vorliegend aber nicht ersichtlich.

2.  Der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag ist unzulässig. Es fehlt dem Kläger am Feststellungsinteresse, dass die Bildnisfertigung, “wie … geschehen”, rechtswidrig war. Wenn nämlich die Klage hinsichtlich des Hauptantrags abzuweisen ist, weil dies mit einer nicht möglichen vorweggenommenen Abwägung verbunden wäre, besteht auch kein Interesse an der Feststellung.

Denn es ist die Klage auf Leistung, d. h. vorliegend ein Unterlassen möglich, so dass kein Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit besteht, und zwar auch dann nicht, wenn der Leistungsantrag abgewiesen wird.
3.D er Kläger hat auch keinen Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten. Es stand nämlich zum Zeitpunkt der Fertigung der Bildaufnahmen noch gar nicht fest, dass die Aufnahmen verwendet würden. Es handelt sich um typische Recherchen für einen aktuellen Beitrag. Dafür, dass gerade die Bildnisse des Klägers verwendet würden, nachdem er darauf hingewiesen hatte, dass er nicht gefilmt werden wollte, sprach aus damaliger Sicht nichts. Ein Unterlassungs- und Auskunftsanspruch bestand deshalb damals nicht. Da die Bildnisse vernichtet wurden, bestand auch der darauf gerichtete Anspruch nicht mehr, so dass auch insofern kein Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren besteht.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.