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Eine Entscheidung des Kammergerichts in Berlin vom 30. August 2010 (5 U 82/08) zeigt auf, wann Abmahnungen rechtsmißbräuchlich sein können.

A) Leitsatz des Bearbeiters:

Die Einschaltung eines Prozessfinanzierers für die Verfolgung einer Vielzahl von wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen ist dann missbräuchlich, weil der Abmahner damit jeglichem Kosten- und Verlustrisiko enthoben wurde und somit das eigene Gewinnerzielungsinteresse (etwa aus späteren Vertragsstrafen) und das Gewinnerzielungsinteresse seines in fortlaufender Geschäftsbeziehung mit diesem Prozessfinanzierer zusammenarbeitenden in den Vordergrund trat.

B) §8 Abs.4 UWG:

(4) Die Geltendmachung der in Absatz 1 bezeichneten Ansprüche ist unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.

C) Das Urteil

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 16. April 2008 verkündete Urteil der Zivilkammer 15 des Landgerichts Berlin – 15 O 585/07 – wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Der Wert des Berufungsverfahrens beträgt 7.500 €.

Gründe

A.

Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 ZPO aus den weiterhin zutreffenden Gründen der Verfügung des Senats vom 4. Mai 2010 zurückzuweisen. Der Senat hat in dieser Verfügung ausgeführt:

„Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil (§ 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

I.

Das Landgericht ist im angefochtenen Urteil im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die (nach zwischenzeitlicher Einstellung des Gewerbes der Klägerin in die Form eines Feststellungsantrages gekleidete) Geltendmachung eines Unterlassungsanspruches (wegen einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung) missbräuchlich im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG ist. Damit ist auch die Geltendmachung eines Anspruchs auf Zahlung von Abmahnkosten (§ 12 Abs. 1 S. 2 UWG) unbegründet.

1.

Nach § 8 Abs. 4 UWG ist die Geltendmachung eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.

Von einem Missbrauch im Sinne besagter Vorschrift ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde Ziele sind (BGH, GRUR 2006, 244, Rdn. 16 – MEGA SALE; dazu auch Hess, jurisPR-WettbR 6/2006, Anm. 6), so etwa das Interesse, Gebühren zu erzielen oder den Gegner durch möglichst hohe Prozesskosten zu belasten oder ihn generell zu schädigen (vgl. Bergmann in: Harte/Henning, UWG, § 8 Rdn. 313, m.w.N.). Hierbei setzt die Annahme eines Missbrauchs nicht voraus, dass die Rechtsverfolgung ohne jedwede wettbewerbsrechtlichen Interessen betrieben wird. Ein Fehlen oder vollständiges Zurücktreten legitimer wettbewerbsrechtlicher Absichten hinter den vom Gesetzgeber missbilligten Zielen ist nicht erforderlich. Ausreichend ist vielmehr, dass die sachfremden Ziele überwiegen (vgl. BGH und Bergmann jeweils a.a.O m.w.N.).

Das Vorliegen eines Missbrauchs ist jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung und Abwägung der gesamten Umstände festzustellen. Maßgebend sind die Motive und Zwecke der Geltendmachung des Anspruchs, die in der Regel aber nur aus den äußeren Umständen erschlossen werden können. Zu diesen Umständen können die Art und Schwere des Wettbewerbsverstoßes und das Verhalten des Schuldners nach dem Verstoß zählen. Vor allem ist aber auf das Verhalten des Gläubigers bei der Verfolgung des konkreten und anderer Verstöße abzustellen; auch das Verhalten sonstiger Anspruchsberechtigter ist in die Betrachtung einzubeziehen (BGHZ 144, 165, 170 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung).

Die Frage, ob ein Missbrauch vorliegt, ist – wie jede Prozessvoraussetzung – von Amts wegen zu prüfen (BGH, GRUR 2002, 715, 717 – Scanner-Werbung). Die Folgen eines non liquet treffen den Beklagten, der deshalb gut daran tut, dem Gericht die notwendigen Grundlagen für die Amtsprüfung zu verschaffen (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kap. 13 Rdn. 54). Gelingt es ihm damit, die grundsätzlich für die Klagebefugnis sprechende Vermutung zu erschüttern, so hat der Kläger seinerseits substantiiert die aufgekommenen Verdachtsgründe zu widerlegen (vgl. BGH, GRUR 2006, 243, Rdn. 21 – MEGA SALE). Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen des Missbrauchs trifft den Beklagten (Senat, GRUR-RR 2008, 212).

Rechtsmissbrauch im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG ist anzunehmen, wenn ein Rechtsanwalt den Auftraggeber ganz oder teilweise vom Kostenrisiko freistellt (OLG Frankfurt a. M., GRUR-RR 2007, 56, 57; Köhler in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Auflage, § 8 Rn. 4.12). Gleiches muss gelten, wenn im Zusammenwirken von Rechtsanwalt und Prozessfinanzierer dem Mandanten eine kostenfreie Verfolgung von Unterlassungsansprüchen nebst einer Profitmöglichkeit (etwa aus anfallenden Vertragsstrafen) angeboten wird. Bei einem solchen Modell der Rechtsverfolgung steht zu vermuten, dass die Ansprüche weniger aus Gründen des Wettbewerbs geltend gemacht werden als zur Erzielung von Einnahmen des Gläubigers und seines Anwalts (Senat, 5 W 34/08, Beschluss vom 8.7.2008).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist im vorliegenden Fall von einem missbräuchlichen Vorbringen der Klägerin auszugehen.

a. Die Beklagte hat hierfür hinreichend Anhaltspunkte dargetan:

aa) Die erhebliche Zahl von Verfahren, mit denen die Klägerin wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche betreibt, reicht allerdings allein – wie auch die Beklagte erkennt – für einen solchen Schluss nicht aus. Zwar kann eine Missbräuchlichkeit dann vorliegen, wenn eine unverhältnismäßig umfangreiche Abmahntätigkeit in einem Branchenbereich vorliegt, in dem der Abmahner selbst nur marginal tätig ist (vgl. BGH GRUR 2001, 260, 261 – Vielfachabmahner; Teplitzky a.a.O. Rdn. 55a). Die Klägerin, die im Rahmen ihrer eBay-Verkäufe seit 2001 über 25.000 Bewertungen erhalten hatte, war aber nicht nur “marginal” im vorbezeichneten Sinne tätig.

Immerhin kann vorliegend aber schon festgestellt werden, dass im Namen der Klägerin eine Vielzahl von leicht über das Internet zu ermittelnder Verstößen verfolgt worden sind, die rechtlich kaum Probleme aufgeworfen und den Geschäftsbetrieb der Klägerin nur indirekt und eher abgeschwächt berührt hatten. Die Klägerin ist dem nicht näher entgegengetreten.

bb) Hier kommt jedoch – wie bereits in dem oben genannten Verfahren 5 W 34/08 des hiesigen Prozessbevollmächtigten für eine andere Mandantin – entscheidend dazu, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit der M. –P. – und B. GmbH (im Folgenden: M.) zusammen arbeitet, deren vormaliger Geschäftsführer H. F. eine kostenfreie Verfolgung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche durch die M. unter Einschaltung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin bewarb, wobei anfallende Vertragsstrafen zwischen dem Kunden und der M. hälftig geteilt werden sollten. Der Administrator der Internetseite “m.-p. de” ist ein Verwandter des Prozessbevollmächtigten der Klägerin und gab dessen Kanzleianschrift als seine Adresse an.

Die Klägerin hat diesen Sachverhalt nicht hinreichend in Abrede gestellt. Schon erstinstanzlich hatte sie sich nicht konkret zu Ihrem Verhältnis zur M. geäußert und nur allgemein dazu Stellung genommen. Die Klägerin bestreitet nicht, dass sie in einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren ausgesagt habe, die Fa. M. habe sie an ihren Prozessbevollmächtigten vermittelt.

b. Die dargestellten Erkenntnisse zur Akquise von Mandaten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin machen es wahrscheinlich, dass dem gehäuften gerichtlichen Vorgehen der Klägerin eine Kostenfreistellungsabrede zugrunde lag. Die Klägerin hat vorliegend auch nicht in Abrede gestellt, in dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren sich dahin eingelassen zu haben, sie habe an ihren Prozessbevollmächtigten noch nie Geld bezahlen müssen, alle finanziellen Dinge regele ihr Prozessbevollmächtigter mit der Fa. M..“

B. Der Senat hält an dieser Beurteilung des Rechtsstreits auch unter Berücksichtigung der hierzu von der Klägerin erhobenen Einwendungen fest.

I. Nach den vorliegenden Fallumständen war die Einschaltung des Prozessfinanzierers für die Verfolgung einer Vielzahl von wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen deshalb missbräuchlich, weil die Klägerin damit jeglichem Kosten- und Verlustrisiko enthoben wurde und somit das eigene Gewinnerzielungsinteresse (etwa aus späteren Vertragsstrafen) und das Gewinnerzielungsinteresse ihres in fortlaufender Geschäftsbeziehung mit diesem Prozess-finanzierer zusammenarbeitenden Rechtsanwalts (der der Klägerin von dem Prozessfinanzierer vermittelt worden ist) in den Vordergrund trat. Wenn ein Prozessfinanzierer zur gerichtlichen Durchsetzung einer Geldforderung eingesetzt wird, trifft die Partei jedenfalls in soweit ein eigenes Verlustrisiko, weil sie im Falle eines Erfolgs dem Prozessfinanzierer regelmäßig einen Anteil an der durchgesetzten Forderung schuldet. Bei der Verfolgung von Unterlassungsansprüchen kommt dies naturgemäß nicht in Betracht. Darüber hinaus spricht die enge geschäftliche Verbindung zwischen dem Prozessfinanzierer und dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin für ein missbräuchliches Vorgehen im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG. Die Klägerin hatte von den wesentlichen Umständen (Vermittlung ihres Prozessbevollmächtigten durch den Prozessfinanzierer, unmittelbare Kostenabrechnung zwischen diesen, Verfolgung einer Vielzahl von Fällen, keinerlei eigenes Kostenrisiko, Möglichkeit einer Gewinnerzielung jedenfalls durch Vertragsstrafen) Kenntnis.

Angesichts dieser besonderen Umstände des Einzelfalls kommt dem vorliegenden Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung zu.

Das Verhalten des Prozessbevollmächtigten der Beklagten insbesondere gegenüber dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin in anderen Verfahren ist vorliegend unerheblich. Die hier den Rechtsmissbrauch der Klägerin begründenden Umstände sind dadurch nicht beeinflusst worden.

II. Mit Schriftsatz vom 5.7.2010 hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten eine ordnungsgemäße Prozessvollmacht vom 2.1.2008 vorgelegt. Ausweislich der Akten hatte dieser Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 31.1.2008 seine Vertretung der Beklagten als Einzelanwalt im vorliegenden Prozess angezeigt.

C. Die Nebenentscheidungen zu den Kosten und zur Wertfestsetzung beruhen auf § 97 Abs. 1, § 3 ZPO.

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Quelle des Urteils: Gerichtsentscheidungen Berlin-Brandenburg


Missbräuchliche Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche bei Einsatz eines Prozessfinanzierers

Das Kammergericht Berlin

Leitsatz des Bearbeiters:

Die Einschaltung eines Prozessfinanzierers für die Verfolgung einer Vielzahl von wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen ist dann missbräuchlich, weil der Abmahner damit jeglichem Kosten- und Verlustrisiko enthoben wurde und somit das eigene Gewinnerzielungsinteresse (etwa aus späteren Vertragsstrafen) und das Gewinnerzielungsinteresse seines in fortlaufender Geschäftsbeziehung mit diesem Prozessfinanzierer zusammenarbeitenden in den Vordergrund trat.

Das Urteil

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 16. April 2008 verkündete Urteil der Zivilkammer 15 des Landgerichts Berlin – 15 O 585/07 – wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Der Wert des Berufungsverfahrens beträgt 7.500 €.

Gründe

A.

Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 ZPO aus den weiterhin zutreffenden Gründen der Verfügung des Senats vom 4. Mai 2010 zurückzuweisen. Der Senat hat in dieser Verfügung ausgeführt:

„Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil (§ 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

I.

Das Landgericht ist im angefochtenen Urteil im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die (nach zwischenzeitlicher Einstellung des Gewerbes der Klägerin in die Form eines Feststellungsantrages gekleidete) Geltendmachung eines Unterlassungsanspruches (wegen einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung) missbräuchlich im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG ist. Damit ist auch die Geltendmachung eines Anspruchs auf Zahlung von Abmahnkosten (§ 12 Abs. 1 S. 2 UWG) unbegründet.

1.

Nach § 8 Abs. 4 UWG ist die Geltendmachung eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.

Von einem Missbrauch im Sinne besagter Vorschrift ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde Ziele sind (BGH, GRUR 2006, 244, Rdn. 16 – MEGA SALE; dazu auch Hess, jurisPR-WettbR 6/2006, Anm. 6), so etwa das Interesse, Gebühren zu erzielen oder den Gegner durch möglichst hohe Prozesskosten zu belasten oder ihn generell zu schädigen (vgl. Bergmann in: Harte/Henning, UWG, § 8 Rdn. 313, m.w.N.). Hierbei setzt die Annahme eines Missbrauchs nicht voraus, dass die Rechtsverfolgung ohne jedwede wettbewerbsrechtlichen Interessen betrieben wird. Ein Fehlen oder vollständiges Zurücktreten legitimer wettbewerbsrechtlicher Absichten hinter den vom Gesetzgeber missbilligten Zielen ist nicht erforderlich. Ausreichend ist vielmehr, dass die sachfremden Ziele überwiegen (vgl. BGH und Bergmann jeweils a.a.O m.w.N.).

Das Vorliegen eines Missbrauchs ist jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung und Abwägung der gesamten Umstände festzustellen. Maßgebend sind die Motive und Zwecke der Geltendmachung des Anspruchs, die in der Regel aber nur aus den äußeren Umständen erschlossen werden können. Zu diesen Umständen können die Art und Schwere des Wettbewerbsverstoßes und das Verhalten des Schuldners nach dem Verstoß zählen. Vor allem ist aber auf das Verhalten des Gläubigers bei der Verfolgung des konkreten und anderer Verstöße abzustellen; auch das Verhalten sonstiger Anspruchsberechtigter ist in die Betrachtung einzubeziehen (BGHZ 144, 165, 170 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung).

Die Frage, ob ein Missbrauch vorliegt, ist – wie jede Prozessvoraussetzung – von Amts wegen zu prüfen (BGH, GRUR 2002, 715, 717 – Scanner-Werbung). Die Folgen eines non liquet treffen den Beklagten, der deshalb gut daran tut, dem Gericht die notwendigen Grundlagen für die Amtsprüfung zu verschaffen (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kap. 13 Rdn. 54). Gelingt es ihm damit, die grundsätzlich für die Klagebefugnis sprechende Vermutung zu erschüttern, so hat der Kläger seinerseits substantiiert die aufgekommenen Verdachtsgründe zu widerlegen (vgl. BGH, GRUR 2006, 243, Rdn. 21 – MEGA SALE). Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen des Missbrauchs trifft den Beklagten (Senat, GRUR-RR 2008, 212).

Rechtsmissbrauch im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG ist anzunehmen, wenn ein Rechtsanwalt den Auftraggeber ganz oder teilweise vom Kostenrisiko freistellt (OLG Frankfurt a. M., GRUR-RR 2007, 56, 57; Köhler in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Auflage, § 8 Rn. 4.12). Gleiches muss gelten, wenn im Zusammenwirken von Rechtsanwalt und Prozessfinanzierer dem Mandanten eine kostenfreie Verfolgung von Unterlassungsansprüchen nebst einer Profitmöglichkeit (etwa aus anfallenden Vertragsstrafen) angeboten wird. Bei einem solchen Modell der Rechtsverfolgung steht zu vermuten, dass die Ansprüche weniger aus Gründen des Wettbewerbs geltend gemacht werden als zur Erzielung von Einnahmen des Gläubigers und seines Anwalts (Senat, 5 W 34/08, Beschluss vom 8.7.2008).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist im vorliegenden Fall von einem missbräuchlichen Vorbringen der Klägerin auszugehen.

a. Die Beklagte hat hierfür hinreichend Anhaltspunkte dargetan:

aa) Die erhebliche Zahl von Verfahren, mit denen die Klägerin wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche betreibt, reicht allerdings allein – wie auch die Beklagte erkennt – für einen solchen Schluss nicht aus. Zwar kann eine Missbräuchlichkeit dann vorliegen, wenn eine unverhältnismäßig umfangreiche Abmahntätigkeit in einem Branchenbereich vorliegt, in dem der Abmahner selbst nur marginal tätig ist (vgl. BGH GRUR 2001, 260, 261 – Vielfachabmahner; Teplitzky a.a.O. Rdn. 55a). Die Klägerin, die im Rahmen ihrer eBay-Verkäufe seit 2001 über 25.000 Bewertungen erhalten hatte, war aber nicht nur “marginal” im vorbezeichneten Sinne tätig.

Immerhin kann vorliegend aber schon festgestellt werden, dass im Namen der Klägerin eine Vielzahl von leicht über das Internet zu ermittelnder Verstößen verfolgt worden sind, die rechtlich kaum Probleme aufgeworfen und den Geschäftsbetrieb der Klägerin nur indirekt und eher abgeschwächt berührt hatten. Die Klägerin ist dem nicht näher entgegengetreten.

bb) Hier kommt jedoch – wie bereits in dem oben genannten Verfahren 5 W 34/08 des hiesigen Prozessbevollmächtigten für eine andere Mandantin – entscheidend dazu, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit der M. –P. – und B. GmbH (im Folgenden: M.) zusammen arbeitet, deren vormaliger Geschäftsführer H. F. eine kostenfreie Verfolgung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche durch die M. unter Einschaltung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin bewarb, wobei anfallende Vertragsstrafen zwischen dem Kunden und der M. hälftig geteilt werden sollten. Der Administrator der Internetseite “m.-p. de” ist ein Verwandter des Prozessbevollmächtigten der Klägerin und gab dessen Kanzleianschrift als seine Adresse an.

Die Klägerin hat diesen Sachverhalt nicht hinreichend in Abrede gestellt. Schon erstinstanzlich hatte sie sich nicht konkret zu Ihrem Verhältnis zur M. geäußert und nur allgemein dazu Stellung genommen. Die Klägerin bestreitet nicht, dass sie in einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren ausgesagt habe, die Fa. M. habe sie an ihren Prozessbevollmächtigten vermittelt.

b. Die dargestellten Erkenntnisse zur Akquise von Mandaten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin machen es wahrscheinlich, dass dem gehäuften gerichtlichen Vorgehen der Klägerin eine Kostenfreistellungsabrede zugrunde lag. Die Klägerin hat vorliegend auch nicht in Abrede gestellt, in dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren sich dahin eingelassen zu haben, sie habe an ihren Prozessbevollmächtigten noch nie Geld bezahlen müssen, alle finanziellen Dinge regele ihr Prozessbevollmächtigter mit der Fa. M..“

B. Der Senat hält an dieser Beurteilung des Rechtsstreits auch unter Berücksichtigung der hierzu von der Klägerin erhobenen Einwendungen fest.

I. Nach den vorliegenden Fallumständen war die Einschaltung des Prozessfinanzierers für die Verfolgung einer Vielzahl von wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen deshalb missbräuchlich, weil die Klägerin damit jeglichem Kosten- und Verlustrisiko enthoben wurde und somit das eigene Gewinnerzielungsinteresse (etwa aus späteren Vertragsstrafen) und das Gewinnerzielungsinteresse ihres in fortlaufender Geschäftsbeziehung mit diesem Prozess-finanzierer zusammenarbeitenden Rechtsanwalts (der der Klägerin von dem Prozessfinanzierer vermittelt worden ist) in den Vordergrund trat. Wenn ein Prozessfinanzierer zur gerichtlichen Durchsetzung einer Geldforderung eingesetzt wird, trifft die Partei jedenfalls in soweit ein eigenes Verlustrisiko, weil sie im Falle eines Erfolgs dem Prozessfinanzierer regelmäßig einen Anteil an der durchgesetzten Forderung schuldet. Bei der Verfolgung von Unterlassungsansprüchen kommt dies naturgemäß nicht in Betracht. Darüber hinaus spricht die enge geschäftliche Verbindung zwischen dem Prozessfinanzierer und dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin für ein missbräuchliches Vorgehen im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG. Die Klägerin hatte von den wesentlichen Umständen (Vermittlung ihres Prozessbevollmächtigten durch den Prozessfinanzierer, unmittelbare Kostenabrechnung zwischen diesen, Verfolgung einer Vielzahl von Fällen, keinerlei eigenes Kostenrisiko, Möglichkeit einer Gewinnerzielung jedenfalls durch Vertragsstrafen) Kenntnis.

Angesichts dieser besonderen Umstände des Einzelfalls kommt dem vorliegenden Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung zu.

Das Verhalten des Prozessbevollmächtigten der Beklagten insbesondere gegenüber dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin in anderen Verfahren ist vorliegend unerheblich. Die hier den Rechtsmissbrauch der Klägerin begründenden Umstände sind dadurch nicht beeinflusst worden.

II. Mit Schriftsatz vom 5.7.2010 hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten eine ordnungsgemäße Prozessvollmacht vom 2.1.2008 vorgelegt. Ausweislich der Akten hatte dieser Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 31.1.2008 seine Vertretung der Beklagten als Einzelanwalt im vorliegenden Prozess angezeigt.

C. Die Nebenentscheidungen zu den Kosten und zur Wertfestsetzung beruhen auf § 97 Abs. 1, § 3 ZPO.

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Quelle: Gerichtsentscheidungen Berlin-Brandenburg