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Identifizierende Berichterstattung über Mitglied der „Pick-Up-Artist-Szene“ zulässig – OLG Frankfurt am Main, 04.02.2021 – 16 U 47/20

OLG Frankfurt am Main: Keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch identifizierende Berichterstattung über Mitglied der „Pick-Up-Artist-Szene“

Das Thema Dating beschäftigt Menschen nicht erst seit Tinder, Bumble und co. Doch wie knüpft man Kontakt mit der auserwählten Person? Pick-Up-Artists versprechen hier Hilfe zu leisten. Bei Pick-Up-Artists handelt es sich um überwiegend männliche Gruppen, die verschiedene Verhaltensweisen sowie psychologische Methoden einsetzen, um ihre Chancen der sexuellen Verführung zu erhöhen. Dabei sind die angewandten Methoden nicht ganz unumstritten. Regelmäßig wird Pick-Up-Artists gezielte Manipulation und Sexismus vorgeworfen. Bei solchen Vorwürfen liegt es auf der Hand, dass Mitglieder dieser Szene unerkannt bleiben wollen.

Ähnlicher Sachverhalt lag der Entscheidung des OLG Frankfurt vom 04.02.2021, Az. 16 U 47/20 zu Grunde.

Dem Verfahren ging das erstinstanzliche Urteil Az. 2-03 O 513/18 des LG Frankfurt vom 16.01.2020 voraus. Hier wandte sich der Kläger, der  in Vergangenheit nebenberuflich als Pick-Up-Artist-Coach gearbeitet, gegen zwei Artikel, die in der ASTA-Zeitschrift einer Universität veröffentlicht wurden. Beklagte ist die verfasste Studierendenschaft der Universität als Herausgeberin der ASTA-Zeitschrift gewesen. Beide Artikel setzen sich kritisch mit der Pick-Up-Artists-Szene auseinander und es wurde in diesem Zusammenhang identifizierend über den Kläger berichtet. Er wurde namentlich genannt und in einem der Artikel ein Bild von ihm abgebildet. Darin sah der Kläger eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Das LG Frankfurt teilte die Ansicht des Klägers und bejahte einen Eingriff in die Sozialsphäre durch die Berichterstattung. Das Gericht war der Auffassung, dass die Beklagte, als juristische Person des öffentlichen Rechts, sich nicht auf den Schutz aus Art. 5 GG berufen konnte und  der Eingriff in das APR rechtswidrig gewesen ist.

Im Berufungsverfahren hat das OLG Frankfurt die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben. Das OLG ist der Ansicht, dass sich die Beklagte “auf das den Autoren der veröffentlichten Artikel und den Lesern zustehende Grundrecht der Meinungs- und Kommunikationsgrundrechte berufen” könne und so der Eingriff in die Sozialsphäre gerechtfertigt sei. Das Gericht bejaht das öffentliche Interesse an einer Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Pick-up-Artist-Szene. Die identifizierende Nennung des Klägers ist dadurch zulässig, dass er nicht bloßes Mitglied der Szene war, sondern die Pick-Up-„Kunst“ in Coaching-Seminaren lehrte und sich so seine herausgehobene Position ergibt. Die im Anschluss an die Berichterstattung unerfreulichen Folgen für den Kläger haben laut dem OLG Frankfurt keine Prangerwirkung, so dass auch vor diesem Hintergrund der Eingriff in das APR des Klägers nicht rechtswidrig gewesen ist.

Marta Teker, wissentschaftliche Mitarbeiterin

Jüdemann Rechtsanwälte

Erstinstanzliche Entscheidung:

https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE210000611

 

Berufungsinstanz:

https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE210000393