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Pressemitteilung
Urteil in der Rechtssache C-457/10 P
AstraZeneca / Kommission

Der Gerichtshof weist das Rechtsmittel des AstraZeneca-Konzerns zurück, der
seine beherrschende Stellung missbraucht hat, indem er das Inverkehrbringen von
Losec nachgebildeten Generika verhindert hat

Die AstraZeneca AB und die AstraZeneca plc gehören zu einem Pharmakonzern (,,AZ“), der sich
weltweit im Sektor Erfindung, Entwicklung und Vermarktung von Pharmaprodukten betätigt. Eines
der wichtigsten von AZ vermarkteten Produkte, ein Magengeschwür-Arzneimittel, ist unter dem
Namen ,,Losec“ bekannt.(1)
Mit Entscheidung vom 15. Juni 2005 verhängte die Kommission gegen die beiden Gesellschaften
eine Geldbuße in Höhe von insgesamt 60 Mio. Euro wegen des zweifachen Missbrauchs einer
beherrschenden Stellung.

Sie stellte zum einen fest, dass AZ vor den Patentämtern bestimmter Mitgliedstaaten absichtlich
irreführende Darstellungen gemacht habe. Mit diesen Darstellungen sei bezweckt worden, den
Patentschutz verlängernde ergänzende Schutzzertifikate  (2)  für Losec zu erhalten oder
aufrechtzuerhalten, auf die AZ keinen oder nur für kürzere Dauer Anspruch gehabt habe, was mit
dem Ziel geschehen sei, die Hersteller von Generika vom Markt fernzuhalten.

Zum anderen wurde AZ dafür zur Verantwortung gezogen, dass sie auf den Widerruf der
Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform in Dänemark, in Schweden
und in Norwegen hingewirkt habe, um das Inverkehrbringen von Generika zu verzögern und zu
erschweren und um Paralleleinfuhren von Losec zu verhindern.

Gegen diese Entscheidung der Kommission erhoben die AstraZeneca plc und die AstraZeneca AB
Nichtigkeitsklage beim Gericht. (3)
Mit Urteil vom 1. Juli 2010 hat das Gericht den Großteil der Argumente von AZ zurückgewiesen.
Es hat jedoch die Entscheidung der Kommission, was die Feststellung des zweiten Missbrauchs
betrifft, teilweise für nichtig erklärt. Die Kommission habe zwar nachgewiesen, dass die Widerrufe
der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Losec in Kapselform in Dänemark, in Schweden
und in Norwegen geeignet gewesen seien, den Markteintritt von Generika in diesen drei Ländern
hinauszuzögern und darüber hinaus die Paralleleinfuhren von Losec nach Schweden zu
verhindern, sie habe jedoch nicht den Nachweis erbracht, dass sich die letztgenannte Wirkung
auch in Dänemark und in Norwegen eingestellt habe. Das Gericht hat deshalb die gegen die
AstraZeneca AB und die AstraZeneca plc als Gesamtschuldnerinnen verhängte Geldbuße auf
40,25 Mio. Euro und die gegen die AstraZeneca AB verhängte Geldbuße auf 12,25 Mio. Euro
herabgesetzt.

Die AstraZeneca AB und die AstraZeneca plc haben beim Gerichtshof Rechtsmittel eingelegt, mit
dem sie die Aufhebung dieses Urteils des Gerichts begehren.

Mit dem heutigen Urteil weist der Gerichtshof die Argumente dieser beiden Gesellschaften zurück,
mit denen insbesondere angebliche Rechtsfehler des Gerichts bei der Beurteilung der beiden
Missbräuche und bei der Festsetzung der Geldbußen geltend gemacht worden sind.

Was namentlich den ersten Missbrauch einer beherrschenden Stellung angeht, der die
ergänzenden Schutzzertifikate betrifft, weist der Gerichtshof darauf hin, dass das Unionsrecht
einem Unternehmen in beherrschender Stellung verbietet, einen Mitbewerber zu verdrängen und
so die eigene Stellung zu stärken, indem es zu anderen Mitteln als denjenigen eines
Leistungswettbewerbs greift.

Der Gerichtshof gelangt insoweit zu dem Ergebnis, dass das Gericht zutreffend davon
ausgegangen ist, dass in dem konstanten und geradlinigen Verhalten von AZ, das durch
irreführende Darstellungen gegenüber den Patentämtern und einen Mangel an Transparenz
gekennzeichnet war, womit AZ die Patentämter und die Gerichte vorsätzlich täuschen wollte, um
ihr Monopol auf dem Arzneimittelmarkt möglichst lang zu wahren, eine dem Leistungswettbewerb
fremde Praxis und damit der Missbrauch einer beherrschenden Stellung lag.

Zum zweiten Missbrauch einer beherrschenden Stellung stellt der Gerichtshof fest, dass unter den
Leistungswettbewerb auch nicht fällt, dass ohne objektive Rechtfertigung und nach Ablauf des
durch das Unionsrecht zuerkannten ausschließlichen Rechts der Widerruf der Genehmigungen für
das Inverkehrbringen mit dem Ziel betrieben wird, die Einführung von Generika und die
Paralleleinfuhren zu behindern.

Hinsichtlich der gegen die Gesellschaften verhängten Geldbuße ist das Gericht nach Ansicht des
Gerichtshofs rechtsfehlerfrei namentlich zu dem Ergebnis gelangt, dass die Missbräuche in
Ermangelung mildernder oder besonderer Umstände als schwere Zuwiderhandlungen anzusehen
sind und die Geldbuße deshalb nicht aus solchen Gründen herabgesetzt werden kann.

HINWEIS: Beim Gerichtshof kann ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel gegen ein Urteil oder
einen Beschluss des Gerichts eingelegt werden. Das Rechtsmittel hat grundsätzlich keine aufschiebende
Wirkung. Ist das Rechtsmittel zulässig und begründet, hebt der Gerichtshof die Entscheidung des Gerichts
auf. Ist die Rechtssache zur Entscheidung reif, kann der Gerichtshof den Rechtsstreit selbst entscheiden.
Andernfalls verweist er die Rechtssache an das Gericht zurück, das an die Rechtsmittelentscheidung des
Gerichtshofs gebunden ist.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet.
Der Volltext des Urteils wird am Tag der Verkündung auf der Curia-Website veröffentlicht.
Pressekontakt: Hartmut Ost        (+352) 4303 3255

1
Entscheidung C(2005) 1757 final der Kommission vom 15. Juni 2005 in einem Verfahren nach Artikel 82 [EG] und
Artikel 54 EWR-Abkommen (Sache COMP/A.37.507/F3 ­ AstraZeneca).
2
Ergänzende Schutzzertifikate können Inhabern eines nationalen oder europäischen Patents erteilt werden. Zweck ist
die Verlängerung der Schutzdauer des Patents um bis zu fünf weitere Jahre, damit der Patentinhaber in den Genuss
eines Ausschließlichkeitszeitraums von höchstens 15 Jahren ab der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen (die
ihrerseits für die Dauer von zehn Jahren erteilt wird) kommt.
3
Urteils des Gerichts vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission (T-321/05); s. auch Pressemitteilung Nr. 67/10.

Quelle: www.curia.europa.eu