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Datenschutz Abmahnung: Kaum war die Datenschutzgrundverordnung in Kraft getreten, erfolgten erste Abmahnung wegen angeblicher Verstöße. So mahnte der IGD e.V. wegen fehlender SSL Verschlüsselung ab, andere Abmahnung erfolgten wegen der Einbindung von Google Fonts oder fehlerhafter Einbindung von Google Analytics ab. Ob Abmahnungen ausgesprochen werden können, hängt u.a. davon ab, ob es sich bei den Regelungen des Datenschutzes um Markverhaltensregeln handelt und ob die Sanktionen der DSGVO abschließenden Charakter haben. 

Ob ein Verstoß gegen die DSGVO vonseiten eines Mitbewerbers als Wettbewerbsverstoß abgemahnt werden kann oder nicht, ist umstritten. Die Gerichte vertreten beide Ansichten. Zuletzt wies das LG Stuttgart die  Klage eines Interessenverbandes gegen einen Autoteilhändler ab, da die DSGVO die Sanktionen von Verstößen abschließend regele und damit der Kläger nicht berechtigt sei, Unterlassungsansprüche geltend zu machen.

Ähnlich hatten bereits zuvor das Landgericht Magdeburg mit Urteil vom 18.01.2019, Aktenzeichen 36 O 48/18, das Landgericht Wiesbaden mit Urteil vom 05.11.2018, Az. 5 O 214/18 sowie das Landgericht Bochum mit Urteil vom 07.08.2018, Az. I-12 O 85/18 entschieden. Für eine parallele Anwendung des Wettbewerbsrechts neben der DSGVO plädierten hingegen das Landgericht Würzburg mit Beschluss vom 13.09.2018, Az. 11 O 1741/18 sowie das Oberlandesgericht Hamburg mit Urteil vom 25.10.2018, Az. 3 U 66/17. 

 

Am  20.05.2019 nahm das LG Stuttgart in seinem Urteil (Az.: 35 O 68/18) zur Zulässigkeit von Abmahnungen wegen des Verstoßes gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) durch Mitbewerber Stellung. Die Klägerin, der Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V. (kurz IDO), machte einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch gegen einen Ebay-Händler geltend, der Zubehör für Kraftfahrzeuge vertrieb und hierbei versäumt hatte, betroffene Kunden über Art, Umfang und Zweck der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten zu unterrichten. Darin erkannte die Klägerin einen Verstoß gegen §13 des Telemediengesetzes (TMG) sowie Art.13 DSGVO, sodass ein Unterlassungsanspruch gem. §8 Abs.1 i.V.m. §§3, 3a UWG begründet sei. Kernstreitpunkt des vorliegenden Falles war somit einmal mehr, ob die DSGVO abschließende Regelungen enthält oder ob das Datenschutzrecht zugleich Marktverhaltensregelung im Sinne des Wettbewerbsrechts ist. Das LG Stuttgart folgte der klägerischen Ansicht im Ergebnis nicht und wies die Klage ab.

In seiner Urteilsbegründung vertritt das Gericht die Auffassung, dass die DSGVO die Sanktionen der in Rede stehenden Verstöße abschließend regele und infolgedessen keine Unterlassungsansprüche nach dem UWG begründet seien. Die Frage nach dem Verhältnis zwischen der DSGVO und dem UWG ist noch immer strittig und höchstrichterlich bislang nicht geklärt.

Die DSGVO enthält präzise Sanktionsregelungen, die etwa in Art. 57 DSGVO die Durchsetzung der Verordnung den jeweiligen Aufsichtsbehörden überträgt und in Art. 77 ff. DSGVO Regelungen über Rechtsbehelfe enthält. Betroffene können gem. Art. 80 Abs.1 DSGVO bestimmte Einrichtungen mit der Durchsetzung ihrer Rechte beauftragen, allerdings zählt die IDO nicht hierzu. Nach Art. 80 Abs.2 DSGVO können die Mitgliedstaaten der EU regeln, dass bestimmte Einrichtungen auch ohne einen entsprechenden Auftrag im Sinne des Abs.1 der Vorschrift Rechte Betroffener durchsetzen können. Der deutsche Gesetzgeber hat auf eine solche Regelung zur eigenmächtigen Verfolgung von Verstößen jedoch bisher verzichtet. Im vorliegenden Urteil argumentiert das Gericht weiter, dass sich die Klagebefugnis des IDO auch nicht aus Art.82 oder Art. 84 DSGVO ergeben könne, da der europäische Gesetzgeber auf die Regelung des Art. 80 Abs.2 DSGVO hätte verzichten können, wenn er eine weitergehende Klagebefugnis Dritter mit den genannten Regelungen intendiert hätte.

Das LG Stuttgart kommt somit zu dem Schluss, dass die DSGVO abschließende Regelungen enthalte und eine Durchsetzung über das UWG auch nicht mit einer anderen Zielrichtung des Wettbewerbsrechts gerechtfertigt werden könne (vgl. auch BGH v. 7.2.2006 – KZR 33/04). Zudem entfalte die DSGVO keine wettbewerbsschützende Wirkung, was aus Art. 1 Abs.1 VO (EU) 2016/679 hervorginge, der den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten unabhängig von der Verbrauchereigenschaft der Betroffenen gewährleiste.

Es liege darüber hinaus auch kein Verstoß gegen §13 TMG vor, da es sich bei der DSGVO um eine Verordnung im Sinne des Art. 288 Abs.2 AEUV handele, die unmittelbare Geltung in allen Mitgliedsstaaten entfalte und nationale Regelungen verdränge, soweit solche im Anwendungsbereich europäischen Rechts bestünden. Art. 13 VO (EU) 2016/679 enthält insoweit Regelungen zur Informationspflicht bei der Erhebung personenbezogener Daten, sodass die Beklagte am 16.7.2018 nicht mehr gegen das TMG habe verstoßen können.

 

Wissenschaftlicher Mitarbeiter Lennart Weiß

Rechtsanwalt Kai Jüdemann

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