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„Der gläserne Staat“ oder „Das Auskunftsrecht eines Journalisten gegenüber staatlichen Stellen“

Jedermann weiß, dass es die verfassungsrechtlich garantierte Pressefreiheit gibt.

Die Presse hat in der Tat eine starke demokratiestaatliche Funktion: Der Bürger soll umfassend über staatliche Belange informiert werden, die publikative Gewalt der Presse soll zugleich auf die Staatsgewalt einwirken und diese kontrollieren.

Auch Journalist X weiß darum und möchte sich an die Arbeit machen und über eine größere Panne in der Verwaltung berichten. Im Brustton der Überzeugung seiner doch grundgesetzlich verbrieften Pressefreiheit bittet er die Behörde Y um Mitteilung berichterstattungsrelevanter Informationen. Doch die Behörde meint nur „Kein Kommentar!“. Journalist X fragt sich: Was ist denn nun mit meiner Pressefreiheit?
Das kurze Fallbeispiel zeigt, wie wichtig es für die ordnungs- und wahrheitsgemäße Berichterstattung eines Journalisten ist, über die Reichweite des journalistischen Auskunftsrechts im Bilde zu sein. Dies entscheidet letztlich über das „ob“ und das „wie“ der Berichterstattung. Darf der Staat wirklich einfach so „nein“ sagen?

Ausgehend von der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG schafft der journalistische Auskunftsanspruch die rechtlichen Rahmenbedingungen für die journalistischen Tätigkeit. Dieser wird durch verschiedene Gesetze gesichert. Hier ein kurzer Überblick:

1. Journalistischer Auskunftsanspruch nach dem Landespressegesetz

Das Grundrecht der Pressefreiheit wird durch die Landespressegesetze der jeweiligen Bundesländer präzisiert.
So besteht gegenüber Behörden und staatlichen Stellen ein eindeutiger Rechtsanspruch der Presse auf Auskunftserteilung (Informationsrecht).
Das Berliner Landespressegesetz sagt dazu:
§ 4 Informationsrecht der Presse.
(1) Die Behörden sind verpflichtet, den Vertretern der Presse, die sich als solche ausweisen, zur Erfüllung ihrer Öffentlichen Aufgabe Auskünfte zu erteilen.

Dieser Auskunftsanspruch umfasst Tatsachen, die behördlich bekannt oder ermittelbar sind. Auf der Rechtsgrundlage des journalistischen Auskunftsanspruchs sind indes keine behördlichen Stellungnahmen erzwingbar, diese stehen vielmehr im freien behördlichen Ermessen.
Der Auskunftsanspruch wird ferner inhaltlich nicht schrankenlos gewährleistet. Denn auf der anderen Seite stehen schützenswerte Interessen der Behörden und Dritter. Der Anspruch besteht dann nicht, soweit z.B. Vorschriften über die Geheimhaltung entgegenstehen oder hierdurch die sachgerechte Durchführung eines schwebenden Verfahrens vereitelt, verzögert oder gefährdet würde (Bsp.: bevorstehende Festnahme) oder ein schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde (Bsp.: Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen privater Firmen).
Journalist X dürfte sich im vorgenannten Fallbeispiel problemlos auf sein journalistisches Auskunftsrecht aus dem Landespressegesetz berufen.
Die Behörde müsste eine Auskunft erteilen, soweit schützenswerte Interesse (wie das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen) nicht entgegenstehen. Insoweit müsste die Behörde anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls überprüfen, ob das öffentliche Informationsinteresse den schützenswerten Interessen des Einzelnen nicht doch überwiegt. Diese Güterabwägung ist eine Frage des Einzelfalls. Eine Auskunftserteilung müsste unverzüglich und kostenlos erfolgen. Insbesondere ist der Staat (damit die Behörde) zur Neutralität verpflichtet und darf bestimmte Journalisten nicht vorzugsweise mit Informationen beliefern.
Die Behörde hat aber Recht zu entscheiden, in welcher Form die Informationsherausgabe erfolgt (Aktenauszüge, Pressemitteilung, Pressekonferenz etc.). Eine Akteneinsichtnahme durch Journalisten ist nur ausnahmsweise gestattet.

2. Auskunftsanspruch aus dem Informationsfreiheitsgesetz

Im Unterschied zum journalistischen Auskunftsrecht aus dem Landespressegesetz ist hier jedermann Anspruchsinhaber. Es können sich demgemäß auch Nicht-Journalisten auf das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) berufen. Dieses wird also für den Bereich der verdeckten Recherche für den Journalisten interessant. Informationsverpflichtet sind alle Verwaltungsbehörden des Bundes und der Länder, die ein IFG haben. Dieser Anspruch auf freien Zugang zu amtlichen Informationen erfasst begrifflich alle Formen von bei der Behörde vorhandenen Aufzeichnungen, nicht jedoch: private Informationen und Informationen, die nicht mit amtlicher Tätigkeit zusammenhängen und Entwürfe und Notizen. Vergleichbar mit dem journalistischen Auskunftsanspruch gibt es auch beim IFG Ausnahmetatbestände, die im Falle entgegenstehender öffentlicher und privater Interessen einen behördliche Informationsweitergabe verbieten.
Journalist X müsste sich also gegenüber Behörde Y nicht als Journalist zu erkennen geben. Auch entscheidet der Antragsteller und nicht die Behörde über die Art der Informationsbeschaffung. Jedoch hat nicht jedes Land ein IFG, kann die Behörde landesrechtlich unterschiedlich lang über die Auskunftserteilung entscheiden und ist diese auch nicht in jedem Falle kostenfrei.

3. Ferner haben Journalisten Informationsrechte aus dem Umweltinformations- und dem Verbraucherinformationsgesetz.
Diese Gesetze stehen jedermann zur Verfügung.
Gesetzeszweck des Umweltinformationsgesetzes ist, den rechtlichen Rahmen für den freien Zugang zu Umweltinformationen (z.B. Zustand der Umwelt, Emissionen, Maßnahmen und Tätigkeiten mit umweltbeeinflussender Wirkung) zu schaffen.
Das Verbraucherinformationsgesetz soll allen Verbrauchern einen Informationsanspruch über bestimmte Daten und Produkte (Lebens- und Futtermittel, sowie Wein, Kosmetika und Bedarfsgegenstände) geben, die den Behörden  vorliegen.

4. Journalisten dürfen ferner in öffentliche Register Einsicht nehmen.
Dazu zählen das Handelsregister, das Schuldnerverzeichnis, das Grundbuch und das Melderegister. Während die Einsichtnahme in das Handelsregister ohne Rechtfertigungsaufwand möglich ist, müsste der Journalist bei der Sichtung von Eintragungen in Grundbüchern ein berechtigtes Interesse nachweisen. Der Verweis auf das öffentliche Informationsinteresse ist nicht in jedem Fall erfolgsführend.

Ob die Behörde Ihren journalistischen Auskunftsanspruch im konkreten Fall zu Recht verweigert hat, ist eine Frage des Einzelfalls und bedarf einer umfassenden tatsächlichen und rechtlichen Würdigung des Sachverhalts. Gerne beraten wir sie dazu!

Der Artikel wurde von Rechtsanwältin Sofia dos Rois Rodrigues verfasst. Frau Rodrigues ist angestellte Rechtsanwältin der Kanzlei Jüdemann Rechtsanwälte und berät dort u.a. im Bereich des Presse- und Medienrechts.