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Aktuell bestätigte das BPatG die Löschungsentscheidung des DPMA bezüglich der Marke „Micropayment“. Diese war eingetragen worden, obwohl ,Micropayment“   bereits    zum     Zeitpunkt   seiner   Eintragung   am 20. Februar 2001 ein nach § 8 Abs 2 Nr. 2 MarkenG freihaltungsbedürftiger Fachbegriff für die Bezahlung von Kleinbeträgen, dem jegliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlte.

 

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BUNDESPATENTGERICHT

33 W (pat) 101/09                              An Verkündungs Statt
_______________                                     zugestellt am
27. Juli 2011
(Aktenzeichen)

BESCHLUSS

In der Beschwerdesache

BPatG 154
05.11

betreffend die Marke 300 11 033

hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 7. Juni 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Bender und der Richter Dr. Kortbein und Kätker

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I

Gegen die Eintragung der am 13. Februar 2000 angemeldeten und seit dem
20. Februar 2001 eingetragenen Marke 300 11 033

Micropayment

für

Klasse 9:   Software;

Klasse 36: Finanzwesen;

Klasse 42: Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung

hat der Antragsteller, ein Rechtsanwalt, im eigenen Namen einen Antrag auf Lö-
schung nach § 50 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 8 MarkenG wegen absoluter Schutz-
hindernisse insbesondere wegen Abs. 2 Nr. 1 und 3 gestellt.

Dem ihr am 7. April 2008 zugestellten Antrag auf Löschung hat die Markeninhabe-
rin am 4. Juni 2008 widersprochen.

Mit Beschluss vom 19. Mai 2009 hat die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Pa-
tent- und Markenamts die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet, da sie
entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 2 Markengesetz eingetragen worden sei. Nach Auffas-
sung der Markenabteilung ist der Löschungsantrag entgegen der Ansicht der Mar-
keninhaberin zulässig. Insbesondere sei die Person des Antragstellers nach dem
Inhalt des Löschungsantrags nicht zweifelhaft. Hierin unterscheide sich der Sach-
verhalt von dem Fall, der dem von der Markeninhaberin angeführten Beschluss
des Bundespatentgerichts (21. Sen.) vom 30. Oktober 2008 (21 W (pat) 20/06)
zugrunde liege.

Der Zulässigkeit stehe auch nicht entgegen, dass es sich beim Antragsteller um
einen Rechtsanwalt handele. Der Löschungsantrag sei gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2
MarkenG als Popularantrag ausgestaltet, der von jeder Person gestellt werden
könne, ohne dass es eines eigenen Interesses an der Löschung bedürfe. Daher
sei auch ein Rechtsanwalt zur Stellung des Löschungsantrags berechtigt, unab-
hängig davon, ob er in eigenem oder in fremdem Interesse tätig werde. Anhalts-
punkte dafür, dass der Antragsteller als Strohmann fungiere, was unter Umstän-
den gegen die Zulässigkeit sprechen könnte, lägen hier nicht vor, zumal auch kein
vorausgegangener rechtskräftiger Beschluss über die Zurückweisung eines zur
Marke gestellten Löschungsantrags existiere. Der vorliegende Löschungsantrag
sei daher zulässig.

Er sei auch begründet, weil die angegriffene Marke entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG eingetragen worden sei. Zwar sei der Löschungsantrag nicht ausdrück-
lich auf diese Vorschrift gestützt worden, seine Begründung enthalte aber Tatsa-
chen, die dieses Schutzhindernis ausfüllten. Bei dem Zeichen ,,Micropayment“
handele es sich um einen Begriff, der den Gegenstand der eingetragenen Waren
und Dienstleistungen beschreibe. Die aus dem Englischen stammende Bezeich-
nung sei unschwer in der ursprünglichen Bedeutung ,,Klein(st)zahlung“ verständ-
lich. Zudem ergebe sich aus den vom Antragssteller vorgelegten Belegen, insbe-
sondere den Anlagen 2 – 4 zum Schriftsatz vom 28.2.2008 und den Anlagen zum
Schriftsatz vom 17.10.2008, dass es schon im Jahr 2000 auch in Deutschland
vielfach üblich gewesen sei, im Zusammenhang mit der Bezahlung von Klein- oder
Kleinstbeträgen bis 10 DM bzw. 5 Euro im Internethandel von ,,Micropayment“ zu
sprechen. Zudem hätten eigene Recherchen der Markenabteilung ergeben, dass
der Ausdruck ,,Micropayment“ bereits seit Ende der 90er Jahre im Rahmen der
Diskussion von Zahlungssystemen für das Internet eine wesentliche Rolle gespielt
habe. Zur wirtschaftlichen und schnellen Abrechnung kleiner Geldbeträge, die der
Bezahlung von im Internet erworbenen digitalen Gütern und Dienstleistungen (wie
Informationen, Musik oder Bildern) dienten, hätten bereits im Jahr 2000 mehrere
,,Micropayment-Systeme“      verschiedener    Anbieter,    wie    z. B.   ,,Net900″,
,,X-PressPay“, ,,click&buy“, ,,CyberCoin“, ,,ecash“ oder ,,Paybox“ existiert, die in
entsprechenden Publikationen auch mit dem fraglichen Begriff bezeichnet worden
seien. Auch die Aufnahme als erläuterter Begriff in Duden, Wörterbuch der New
Economy (Drucklegung im Januar 2001), zeige, dass sich die Bezeichnung
,,Micropayment“ im Bereich des E-Commerce jedenfalls zum Zeitpunkt der Eintra-
gung der angegriffenen Marke bereits zu einem gebräuchlichen Fachbegriff ent-
wickelt habe. Daher habe es sich bei der angegriffenen Marke schon zum Zeit-
punkt ihrer Eintragung um eine Angabe gehandelt, die zur unmittelbaren Be-
schreibung des Bestimmungszwecks bzw. des Gegenstands der fraglichen Waren
und Dienstleistungen dienen konnte. Dies treffe nach den vorliegenden Unterlagen
auch heute noch zu. Das Vorliegen weiterer Löschungsgründe nach § 50 Abs. 1
MarkenG i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 u. 3 MarkenG könne dahingestellt bleiben.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Zur
Begründung führt sie aus, dass der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs
verletzt worden sei. Der Schriftsatz der Antragstellerin vom 12. Mai 2009, der
neuen und ergänzenden Rechts- und Tatsachenvortrag enthalten habe, sei ihr
zwar (mit Amtsbescheid vom 14. Mai 2009) als Doppel des Vorab-Fax vor der
Abfassung des angefochtenen Beschlusses vom 19. Mai 2009 zugestellt worden,
jedoch ohne die zugehörigen Anlagen. Hierauf habe die Markeninhaberin mit Ein-
gabe vom 22. Mai 2009 (in Unkenntnis des bereits zu diesem Zeitpunkt abge-
fassten, aber noch nicht zugestellten Beschlusses der Markenabteilung) das Feh-
len der Anlagen beim Deutschen Patent- und Markenamt moniert und um Über-
sendung des Originals des gegnerischen Schriftsatzes samt Anlagen gebeten.
Dies sei erst nach der Zustellung des angefochtenen Beschlusses mit Bescheid
vom 5. Juni 2009 geschehen, wobei der gegnerische Schriftsatz den Vertretern
der Markeninhaberin am 10. Juni 2009, also mehr als drei Wochen nach der Be-
schlussfassung (bzw. zwei Wochen nach der Zustellung des Beschlusses) zuge-
stellt worden sei.

Der ihr nicht in vollem Umfang rechtzeitig zugestellte Schriftsatz habe neues und
entscheidungserhebliches Vorbringen des Antragstellers zur Entkräftung der Be-
hauptung seiner Strohmanneigenschaft unter Bezugnahme auf eine bisher nicht in
das Verfahren eingeführte Entscheidung des Bundespatentgerichts enthalten. Zu-
dem habe er weitere Ausführungen und vermeintliche Belege zur angeblich be-
schreibenden Bedeutung des Begriffs ,,Micropayment“ enthalten. Der gegnerische
Schriftsatz habe der Markenabteilung bei Abfassung des angegriffenen Beschlus-
ses vorgelegen und sei berücksichtigt worden, zumal die Markenabteilung darin
explizit auf das Bezahlsystem ,,Net900″ verwiesen und sich mehrfach auf ,,vom
Antragsteller vorgelegte Belege“ bezogen habe. Nach § 59 Abs. 2 MarkenG hätte
die Markenabteilung der Markeninhaberin vor der Beschlussfassung Gelegenheit
geben müssen, sich zum gegnerischen Schriftsatz zu äußern. Dies sei nicht er-
folgt, so dass eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vorliege. Die
Sache sei daher an das Patentamt zurückzuverweisen.

Hilfsweise trägt die Markeninhaberin vor, dass die Markenabteilung zu Unrecht die
sich aus den §§ 322, 325 ZPO ergebenden Grundsätze nicht berücksichtigt habe.
Danach seien auch im Löschungsverfahren gemäß § 54 MarkenG beliebige Wie-
derholungen des Streits ausgeschlossen. Dementsprechend könne ein Lö-
schungsantrag auch nicht zulässig von einem Strohmann des Hintermannes ge-
stellt werden. Auch der 33. Senat des Bundespatentgerichts habe in einer Ent-
scheidung vom 2. März 2004 (BPatGE 48, 233) anerkannt, dass die Frage der
Strohmanneigenschaft grundsätzlich im Löschungsverfahren entscheidungserheb-
lich sei.

Dieser Grundsatz müsse auch im vorliegenden Fall eines ersten Antrags ange-
wendet werden. Denn auch im Fall eines ersten Antrags sei eine subjektive
Rechtskraftwirkung der Entscheidung zwischen den Parteien zu gewährleisten.
Andernfalls könne eine Partei die Rechtskraftwirkung dadurch unterlaufen, dass
sie einen ersten Löschungsantrag durch einen Strohmann stellen lasse, um sich
die Option offen zu halten, die Rechtskraftwirkung des Beschlusses durch einen
weiteren eigenen oder von einem anderen Strohmann gestellten Löschungsantrag
wieder in Frage zu stellen. Dementsprechend müsse ein Löschungsantrag unzu-
lässig sein, wenn die Antragstellung, sofern sie durch einen Hintermann erfolgt
wäre, einen Rechtsmissbrauch darstellen würde. Die Auffassung der Markenab-
teilung, dass der Löschungsantrag von jeder Person gestellt werden könne und
grundsätzlich zulässig sei, während ein Strohmann nur die gegenüber dem Hin-
termann ggf. bestehenden Einreden gegen sich gelten lassen müsse, greife hier
nicht. Die Markenabteilung übersehe, dass der Antragsgegner den Hintermann
nicht kenne und daher gar nicht wissen könne, ob und welche Einreden ihm zu-
stehen könnten. Damit sei der Löschungsantrag hier als unzulässig zurückzuwei-
sen.

Die Markeninhaberin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuhe-
ben und die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zu-
rückzuverweisen,

hilfsweise den angegriffenen Beschluss aufzuheben und den An-
trag auf Löschung der Marke 300 11 033 zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er trägt vor, dass sein Schriftsatz vom 12. Mai 2009, der der Gegnerin vor Erlass
des angefochtenen Beschlusses nicht vollständig zugestellt worden sei, entgegen
deren Ausführungen kein neues und entscheidungserhebliches tatsächliches und
rechtliches Vorbringen enthalten habe, so dass das Gebot des rechtlichen Gehörs
nicht verletzt worden sei. Insbesondere sei die darin genannte Entscheidung des
Bundespatentgerichts vom 30. Oktober 2008 (21 W (pat) 20/06) nicht von ihm,
sondern zuvor von der Markeninhaberin in das Verfahren eingeführt worden. Er
habe lediglich darauf hingewiesen, dass die Entscheidung im vorliegenden Fall
nicht einschlägig sei.

Des Weiteren seien die mit Schriftsatz vom 12. Mai 2009 eingeführten Dokumente
ausschließlich mittels einer einfachen Internetrecherche mit der Suchmaschine
,,Google“ zum Suchbegriff ,,Micropayment“ ermittelt worden. Diese einfach aufzu-
findenden und jedermann zugänglichen Dokumente wären auch ohne den Schrift-
satz des Antragstellers vom Amt aufgefunden und verwendet worden. Sie er-
gänzten lediglich die in den vorherigen Schriftsätzen vorgelegten Unterlagen, die
schon für sich genommen den beschreibenden Charakter der angegriffenen
Marke belegten. Somit hätten dem Amt auch ohne Berücksichtigung des Schrift-
-8-

satzes des Antragstellers vom 12. Mai 2009 alle zur Entscheidung erforderlichen
Unterlagen vorgelegen.

Zudem seien der Markeninhaberin nunmehr alle Entscheidungen und Argumente
des Patentamts bekannt. In ihrer Beschwerdebegründung habe sie Gelegenheit
gehabt, dazu umfassend vorzutragen und von der Möglichkeit des rechtlichen Ge-
hörs Gebrauch zu machen. Dennoch habe sie außer der Rüge der Verletzung des
Anspruchs auf rechtliches Gehör fast keine materiell-rechtlichen Argumente vor-
getragen, sondern schwerpunktmäßig einen Verstoß gegen den Grundsatz recht-
lichen Gehörs und die Unzulässigkeit des Löschungsantrags gerügt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II

Die zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist nicht be-
gründet.

1. Der Senat sieht davon ab, die Sache nach § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG ohne
Entscheidung in der Sache an das Patentamt zurückzuverweisen. Zwar geht der
Senat mit der Markeninhaberin davon aus, dass das Verfahren vor dem Patentamt
an einem wesentlichen Mangel i. S. dieser Vorschrift leidet. Denn der Markenin-
haberin sind offenbar die Anlagen zum Schriftsatz des Antragstellers vom
12. Mai 2009 vor Erlass des angefochtenen Beschlusses nicht zur Kenntnisnahme
unter Einräumung einer Äußerungsfrist zugestellt worden. Die Anlagen enthalten
fünf Belege zur Verwendung von ,,Micropayment“, davon vier mit Datum vor dem
Eintragungstag der angegriffenen Marke. Dabei geht der Senat zugunsten der
Markeninhaberin davon aus, dass der (nur) handschriftliche, offenbar später hin-
zugesetzte Vermerk auf dem Aktenexemplar des Bescheids vom 14. Mai 2009 (Bl.
S58), mit dem der Markeninhaberin ein Doppel des fraglichen Schriftsatzes (ge-

nauer: dessen Vorab-Fax) zugesandt worden ist, unrichtig ist. Hierfür spricht zum
einen, dass die dort bezeichneten Aktenblätter ,,S55/S57″ (d. h. S55 bis S57) nur
ein Telefax umfassen, das am 12. Mai 2009 als dreiseitiges Fax und am
14. Mai 2009 (zusammen mit einer Mitteilung der Änderung der Anschrift) als vier-
seitiges Fax eingereicht wurde. Weitere Seiten, insbesondere die am 13. Mai 2009
eingegangene umfangreiche Anlage, enthielt der als Bl. S55 bis S57 nummerierte
Aktenteil nicht. Erst das am 13. Mai 2009 eingegangene Original enthielt eine etwa
50 Seiten lange Anlage. Diese wurde aber, ebenso wie der eigentliche Schriftsatz,
nicht foliiert. Vielmehr wurde auf der ersten Seite des Original-Schriftsatzes die
Angabe ,,zu S55/S57 + Anlagen“ angebracht. Wenn die dem Verfahrensgegner zu
übersendende Anlage dann im Bescheid vom 14.5.2009 mit ,,S55/S57″ bezeichnet
wird, so kann dies bei Unklarheiten über den genauen Inhalt der Anlagen nicht zu
Ungunsten der Verfahrensbeteiligten ausgelegt werden.
Auch die spätere Anforderung des Schriftsatzes samt dessen Anlagen (Eingabe
der Markeninhaberin vom 22. Mai 2009, Bl. S58a) und ihre – unbestrittene – an-
waltliche Stellungnahme spricht dagegen, dass ihr der fragliche Schriftsatz mit
seinen Anlagen bereits am 14. Mai 2009 übersandt worden ist. Auch der z. T.
chronologisch falsche Aufbau der patentamtlichen Akte, bei der die o. g. Anforde-
rung der Markeninhaberin vom 22. Mai 2009, eingegangen am 26. Mai 2009
(Bl. S58a), und der hierauf ergangene Bescheid vom 5. Juni 2009 (Bl. S58b) unter
Verwendung der Buchstabenzusätze ,,a“ und ,,b“ zur jeweiligen Blattzahl vor dem
angefochtenen Beschluss vom 19.5.2009 (Bl. S59 ff.) eingeheftet worden sind,
stellt eine weitere Unregelmäßigkeit dar, die in der Zusammenschau für die Dar-
stellung der Markeninhaberin spricht.

Dementsprechend geht der Senat davon aus, dass der Markeninhaberin die zum
Schriftsatz des Antragstellers vom 12. Mai 2009 beigefügte Anlage vor Erlass des
angefochtenen Beschlusses nicht zur Stellungnahme übersandt worden ist, worin
bereits eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt. Dies gilt auch
dann, wenn sich die Markenabteilung im angefochtenen Beschluss offenbar nicht

schwerpunktmäßig auf diese Anlagen gestützt hat, sondern andere Schriftsätze
mit deren Anlagen hervorgehoben hat (vgl. Seite 5, 5. Absatz des Beschlusses).

Darüber hinaus hat sich die Markenabteilung im Beschluss maßgeblich auch auf
eigene Recherchen gestützt (a. a. O., 6. Absatz). Das Ergebnis dieser Recherche
ist den Beteiligten aber erst zusammen mit dem Beschluss zugestellt worden, so
dass sie sich vor der Entscheidung nicht dazu äußern konnten. Auch hierin liegt
eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (vgl. BGH GRUR 2004, 77,
79 – PARK & BIKE; GRUR 2004, 76, 77 – turkey & corn; Ströbele/Hacker, Marken-
gesetz, 9. Aufl., § 83, Rdn. 35 a. E.), so dass das Verfahren vor dem Patentamt an
einem wesentlichen Mangel i. S. d. § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG leidet.

Der Senat übt das ihm nach § 70 Abs. 3 MarkenG gewährte Ermessen jedoch da-
hingehend aus, dass er von einer Zurückverweisung absieht und in der Sache ab-
schließend entscheidet.

Hierbei war zu berücksichtigen, dass der Markeninhaberin mit dem Löschungsan-
trag vom 28. Februar 2008 bereits sieben Belege, die meisten davon mit Bedeu-
tung bereits für den Eintragungstag der angegriffenen Marke, zugestellt worden
sind. Auch zusammen mit dem Schriftsatz des Antragstellers vom 17. Okto-
ber 2008 sind ihr weitere vier Belege, drei davon mit Bedeutung für den
Eintragungsantrag übersandt worden. Zudem hatte sie die Möglichkeit, im Laufe
des seit etwa zwei Jahren anhängigen Beschwerdeverfahrens zu den o. g., ihr vor
Erlass des angefochtenen Beschlusses nicht zugestellten insgesamt 10 Belegen
Stellung zu nehmen.

Darüber hinaus hat der Senat weitere 19 Belege ermittelt und sie der Markeninha-
berin mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung zur Kenntnisnahme zugestellt.
Er hat damit erkennen lassen, dass die Beurteilung der Frage des Vorliegens ei-
nes Löschungsgrundes nach § 50 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 8 Abs. 1 MarkenG
aus seiner Sicht durch umfassende Recherchen bzw. Rechercheergebnisse vor-
– 11 –

bereitet ist und nunmehr auf der Grundlage des gesamten vorliegenden Materials
beantwortet werden kann. Wenn das Gericht selbst im Rahmen des Amtsermitt-
lungsgrundsatzes (§ 73 Abs. 1 MarkenG) Ermittlungen anstellt und (erstmalig) zu
diesen und zugleich (nachträglich) zu verschiedenen Unterlagen aus dem patent-
amtlichen Verfahren zusammenfassend das erforderliche rechtliche Gehör gewäh-
ren kann, so wäre es prozessunökonomisch, die entscheidungsreife Sache zu-
rückzuverweisen (vgl. a. Ströbele/Hacker, a. a. O., Rdn. 7, 2. Abs.). Im Übrigen
hat die Markeninhaberin nicht vorgetragen, welches schützenswerte Interesse sie
an einer erneuten Befassung der Markenabteilung mit der Sache hat, insbeson-
dere ob und welche inhaltlichen Einwendungen sie gegen die ihr vorenthaltenen
Anschauungsbeispiele für beschreibende Verwendungen vorbringen könnte, die
eine Neubefassung der ersten Instanz erforderlich erscheinen lassen.

2. Der Löschungsantrag ist zulässig. Seiner Zulässigkeit steht insbesondere
nicht der Grundsatz der materiellen Rechtskraft entgegen. Dies gilt auch unter Be-
rücksichtigung des Umstandes, dass der Antragsteller ein Rechtsanwalt ist. Nach
dem aus den §§ 322, 325 ZPO folgenden Grundsatz der materiellen Rechtskraft
ist jede neue Verhandlung und Entscheidung über eine rechtskräftig festgestellte
Rechtsfolge ausgeschlossen (Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 32. Aufl.,
§ 322, Rdn. 8). Bei Identität des Streitgegenstands im späteren Prozess wie im
rechtskräftig entschiedenen ist in den Grenzen der Rechtskraft die Klage einer
früheren Partei, die dieselbe oder gegenteilige Rechtsfolge begehrt, ohne Sach-
prüfung als unzulässig abzuweisen (Thomas Putzo, a. a. O., Rdn. 11).

Die materielle Rechtskraft verhindert also nur, dass derselbe Löschungsgrund
vom selben Antragsteller (bzw. dessen Rechtsnachfolger) e r n e u t     zur Über-
prüfung gestellt wird (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 54, Rdn. 5). Dementspre-
chend muss ein ohne eigenes Interesse im Auftrag und Interesse des Hinterman-
nes handelnder Strohmann nach h. M. die gegenüber dem Hintermann beste-
hende Einwendung der entgegenstehenden Rechtskraft gegen sich gelten lassen
(vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 54, Rdn. 2 u. 5 mit Hinweis auf Senatsentschei-
dung BPatGE 48, 33; gegen 28. Sen. (28 W (pat) 60/03), der zusätzlich unlauteres
oder rechtsmissbäuchliches Handeln des Strohmanns verlangt (beide Entschei-
dungen in Parallelfällen ergangen), vgl. a. BGH GRUR 2010, 231 – Legostein,
Nr. 10 ff.).

Vorliegend fehlt es bereits an einer vorausgegangenen rechtskräftigen Zurückwei-
sung eines (ersten) Löschungsantrags, deren Rechtskraft nunmehr durch Ein-
schaltung des hier antragstellenden Rechtsanwalts als Strohmann umgangen
werden könnte. Soweit die Markeninhaberin hiergegen sinngemäß argumentiert,
dass eine Partei die Rechtskraftwirkung dadurch unterlaufen könne, dass sie be-
reits einen ersten Löschungsantrag durch einen Strohmann stellen lasse und sich
so die Option offen halte, die Rechtskraftwirkung später durch einen weiteren Lö-
schungsantrag zu unterlaufen, der von der interessierten Partei (Hintermann)
selbst oder durch einen weiteren Strohmann gestellt werde, rechtfertigt dies keine
andere Beurteilung. Denn selbst bei einer derart eingefädelten Konstellation von
zwei hintereinander gestellten Löschungsanträgen kann erst der zweite eine Um-
gehung des Grundsatzes der materiellen Rechtskraft darstellen. Erst dann kann
bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte ein Grund bestehen, der Frage der
entgegenstehenden Rechtskraft nachzugehen.

Das dürfte, ohne dass es hier einer Entscheidung bedarf, selbst dann gelten,
wenn vorliegend bereits Anhaltspunkte für eine solche Planung eines doppelten
Löschungsantrags (desselben Hintermannes) bestünden, etwa wenn die Marken-
inhaberin nachgewiesen hätte, dass der Antragsteller im Auftrag eines konkurrie-
renden Anbieters von Zahlungssystemen auftritt. Denn auch hier kann der Grund-
satz der entgegenstehenden Rechtskraft nicht dagegen sprechen, dass der Hin-
termann eine erste rechtskräftige Entscheidung erwirkt, selbst wenn er hierfür eine
andere Person einschaltet. Auf die ,,erste“ Entscheidung hat jeder einen Anspruch.
Erst bei einem zweiten Löschungsantrag durch eine wirtschaftlich verbundene
Person kann die Gefahr der Umgehung der Grundsätze über die entgegenste-
hende Rechtskraft entstehen und erst dann ist ihr zu begegnen.

Abgesehen davon hat die Markeninhaberin außer dem Hinweis auf die Eigen-
schaft des Antragstellers als Rechtsanwalt und ihrer Bemerkung, dass es lebens-
fremd erscheine, dass ein Rechtsanwalt die Amtskosten aus eigener Tasche zahle
und für seine Tätigkeit kein Honorar erhalte (Schriftsatz v. 17. Juli 2008), keinerlei
konkrete Hinweise auf eine Vorbereitung eines mehrfachen Löschungsantrags
gegeben. Insoweit kann zunächst – wenn auch rechtsvergleichend – auf die Ent-
scheidung EuGH GRUR 2010, 931, Nr. 26, 36 – 44 – COLOR EDITION verwiesen
werden, in der der Europäische Gerichtshof unter Auslegung der Vorschrift des
Art. 55    Abs. 1 GMV     keine    Bedenken         gegen      die   Zulässigkeit    von
Löschungsanträgen erhoben hat, die von einer ,,Rechtsanwaltskanzlei“ im eigenen
Namen gestellt werden. Auch die jüngere Entscheidung BGH GRUR 2010, 231
– Legostein, in der der Bundesgerichtshof einen von einer Rechtsanwältin
gestellten (,,zweiten“) Löschungsantrag als zulässig angesehen hat, obwohl
durchaus Hinweise für eine Strohfrau-Eigenschaft vorhanden waren (a. a. O.,
Nr. 17 – 23), zeigt, dass der pauschale Hinweis der Markeninhaberin auf die
Eigenschaft des Antragstellers als Rechtsanwalt ins Leere gehen muss.

3.     Es liegt ein Löschungsgrund gemäß § 50 Abs. 1 MarkenG vor, da die
angegriffene Marke entgegen § 8 MarkenG eingetragen worden ist. Das Marken-
wort    ,,Micropayment“   war   bereits    zum     Zeitpunkt   seiner   Eintragung   am
20. Februar 2001 ein nach § 8 Abs 2 Nr. 2 MarkenG freihaltungsbedürftiger Fach-
begriff für die Bezahlung von Kleinbeträgen, dem jegliche Unterscheidungskraft
i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlte. Als geltend gemachter Löschungsgrund
ist dabei entsprechend der Vorschrift des § 50 Abs. 1 MarkenG und dem Feld 7
des eingereichen Antragsformulars ,,§ 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 MarkenG“ zugrunde
zu legen, so dass die Prüfung nicht auf einzelne Tatbestände des § 8 MarkenG
begrenzt ist.
Die Eigenschaft der Marke als beschreibende und nicht unterscheidungskräftige
Marke ergibt sich schon aus der schieren Fülle der insgesamt vorliegenden Ver-
wendungsbeispiele für beschreibende Verwendungen, wie man sie in dieser An-
zahl selten findet. Neben dem besonders aussagekräftigen Internetbeleg
www.transaction.net/payment/micro.html (erste Fundstelle der Senatsrecherche)
mit einer Übersicht über mindestens acht Micropayment-Produkte unterschiedli-
cher Anbieter, vier davon mit den Daten über Beginn oder Ende der Verwendung
des jeweiligen Produkts, die zwischen 1995 und 1999 liegen, und der Aufführung
von ,,Micropayment“ als Fachbegriff im Nachschlagewerk Duden, Wörterbuch der
New Economy (Drucklegung: Jan. 2001), seien nachfolgend beispielhaft erwähnt:

Verwendungen von Pluralformen, die auf Micropayment-Produkte verschiedener
Anbieter hindeuten, z. B.:

– ,,Many of the existing micropayment systems do follow this approach, …“
(W3C-Common Markup for micropaxment per-fee-links, … 1999);
– ,,Beim Micropayment wie es etwa die Zahlungsservices NetPurce und Safer-
Cash anbieten, können die Händler ab dem ersten Cent das Geld effizient ver-
rechnen. …“ (www.computerwoche.de/…),

Verwendungen, die darauf hindeuten, das Micropayment einen technisch-wirt-
schaftlichen Bereich bzw. einen Wirtschaftszweig als solchen bezeichnet, z. B.:

– ,,… Das Unternehmen ist der wichtigste Micropayment-Anbieter für die digitale
Unterhaltungsindustrie …“ (www.glasfaser-foerderung.de/…);
– ,,Seit ihrer Einführung im Jahr 1996 hat sich die GeldKarte zu einem populären
bargeldlosen Bezahlsystem im Micropayment-Bereich entwickelt …“ (Diplomar-
beit – Thomas H., Universität Paderborn);
–   ,,dynacash®: Der neue Micropayment-Standard …“ (http://press1.eu/ibot/dp
…);

– ,,… Es hat sich also im letzten Jahr kaum etwas getan im Micropayment-Markt
…“ (www.krick-interactive.com/sem-blog/…);
– ,,… Dieses System ist in die Kategorie der Micropayments einzuordnen (Preise
zwischen 0,1 Cent und 5 US$)…“ (www.e-geld.org/systeme/system.htm);
– ,,… Den Markt für die so genannten Micropayments hält Bieler für groß. …“
(www.computerwoche.de/…)

oder gar Verwendungen, die ,,Micropayment“ direkt als Fachbegriff bezeichnen
oder die Schlussfolgerung auf einen Fachbegriff nahelegen, z. B.:

,,… Der Fachbegriff für diese Eigenschaft ist Micropayment.“ (www-is.informa-
tik.uni-oldenburg.de/~dibo/…);

,,4.1 Was ist Micropayment? Kreditkarten haben sich als gutes Zahlungsmittel im
Internet erwiesen, wenn es um größere Beträge geht. Dagegen sind sie beim Kauf
von Produkten, die wertmäßig wenig kosten, also Waren im Kleingeldbereich (da-
her der Begriff ,,Micropayment“), nicht sehr vorteilhaft. …“ (www.internetpay-
ment.org/index_6.html).

Die oben zitierten Beispiele entstammen allein aus dem Ergebnis der Senatsre-
cherche und belegen bereits sowohl für den aktuellen wie auch für den Eintra-
gungszeitpunkt die Eigenschaft der Marke als beschreibender Fachbegriff auf dem
Gebiet der bargeldlosen Zahlung, mit dem die Zahlung kleiner Beträge, insbeson-
dere mit Hilfe von Telekommunikationseinrichtungen und -dienstleistungen und die
dazu entwickelten Zahlungssysteme, bezeichnet werden. Hinzu kommen die im
patentamtlichen Verfahren zahlreich eingereichten und ermittelten Belege. Soweit
die Markeninhaberin die im Verfahren vor dem Patentamt eingereichten Belege
anfänglich noch sinngemäß als unbekannte, vereinzelte Internetseiten kritisiert
hat, die der Verkehr – auch wegen ihrer teilweise englischen Sprache – nicht zur
Kenntnis nehme, kann bei der Gesamtwürdigung aller ermittelten Unterlagen kei-
neswegs von vereinzelten oder nur englischsprachigen Belegen gesprochen wer-
– 16 –

den. Umfangreich belegt wird vielmehr ein Fachbegriff, der dem Verkehrsteilneh-
mer, der sich mit dem speziellen Bereich von Systemen für Kleinbetragszahlungen
beschäftigt, geläufig ist.

Das Markenwort bezeichnet damit die Art und den Schwerpunkt der Dienstleistun-
gen des Finanzwesens und den inhaltlichen Schwerpunkt der Software und Pro-
grammerstellungsdienstleistungen, für die die Marke eingetragen ist. Es handelt
sich damit um eine Merkmalsbezeichnung i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, der
als reiner Fachbegriff auch jegliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1
MarkenG fehlt. Die Marke ist damit entgegen § 8 MarkenG eingetragen worden,
so dass die Markenabteilung zu Recht ihre Löschung nach § 50 Abs. 1 MarkenG
angeordnet hat. Die Beschwerde musste daher erfolglos bleiben.

Da sich ein relevanter Teil der ermittelten Internet-Fundstellen der Senatsrecher-
che bereits auf die der Anmeldung der verfahrensgegenständlichen Marke am
13. Februar 2000 vorausgehende Zeit bezieht, kann die Frage dahingestellt blei-
ben, ob auch im deutschen Markensystem angesichts der Harmonisierung des
europäischen Markenrechts und unter Berücksichtigung der insoweit gleichlauten-
den Vorschriften von § 50 Abs. 2 MarkenG und Art. 52 Abs. 1 Buchstabe a GMV
(,,entgegen … eingetragen worden“) für das Vorliegen der absoluten Eintragungs-
hindernisse im Löschungsverfahren anstelle des Eintragungszeitpunkts auf denje-
nigen der Anmeldung abzustellen ist, wie das der Europäische Gerichtshof für das
Gemeinschaftsmarkensystem fordert (EuGH, Beschluss vom 23.4.2010, C-332/09
P – FLUGBÖRSE, Rn 41 – 57; MarkenR 2010, 439; s. a. Bender, MarkenR 2011,
49, 59 f., Bölling, GRUR 2011, 472). Einer entsprechenden Vorabentschei-
dungsfrage an den Gerichtshof der Europäischen Union bedarf es daher nicht.
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4. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage besteht kein Anlass, aus Gründen
der Billigkeit einem der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfah-
rens gemäß § 71 Abs 1 MarkenG aufzuerlegen.

Bender                            Dr. Kortbein                          Kätker

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