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Bei Kennzeichen, die in Bezug auf die beanspruchten Waren um Angaben ihrer geografischen Herkunft dienen können, besteht ein absolutes Schutzhindernis. So aktuell für das Kennzeichen „Samoa“, mit dem der Anmelder Möbel schmücken wollte.

 

BUNDESPATENTGERICHT

26 W (pat) 1/12
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(Aktenzeichen)

BESCHLUSS

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 005 645.2

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 14. November 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr. Fuchs-Wissemann sowie der Richter Reker und Hermann
beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I

Die Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Anmeldung der für die Waren der Klasse 20

„Möbel; Garten- und Campingmöbel aus Holz, Kunststoff, Metall,
Korb, Rohr, Binse, Weide; Ständer und Halterungen zum Aufstel-
len/Befestigen von Sonnenschirmen; aufblasbare Möbel“

bestimmten Marke

Samoa

mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist,
gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen, weil es sich bei der angemel-
deten Marke in Bezug auf die beanspruchten Waren um eine Angabe handele, die
zur Bezeichnung ihrer geografischen Herkunft dienen könne (§ 8 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG). Zur Begründung hat sie unter Hinweis auf entsprechende Eintragungen
im Internetlexikon „Wikipedia“ ausgeführt, „Samoa“ sei der Name eines im süd-
westlichen Pazifik gelegenen Inselstaates mit etwa 181.000 Einwohnern. In wirt-
schaftlicher Hinsicht spielten in Samoa der Tourismus, die Landwirtschaft, die
Herstellung von Autoteilen, die Holzverarbeitung zu Baumaterial sowie die Ziga-
rettenproduktion eine gewichtige Rolle. Die Art der beanspruchten Waren, nämlich
schwerpunktmäßig Garten-, Camping- und Freizeitmöbel, und die Fortentwicklung
des internationalen Handels ließen die Herkunft dieser Waren aus dem Staat
Samoa und deren Import nach Deutschland nicht als ungewöhnlich oder unwahr-
scheinlich erscheinen. Bei dieser Sachlage sei anzunehmen, dass Wettbewerber
künftig darauf angewiesen seien, die als Marke angemeldete geografische An-
gabe beschreibend als Herkunftsangabe verwenden zu können. Dass die als
Marke angemeldete geografische Angabe bisher für die beanspruchten Waren
noch nicht als geografische Herkunftsbezeichnung verwendet worden sei, hindere
die Schutzversagung nicht, weil es nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG allein darauf
ankomme, dass sie als beschreibende Angabe der geografischen Herkunft der
Waren dienen könne.

Gegen die Zurückweisung der Anmeldung wendet sich die Anmelderin mit ihrer
Beschwerde. Zu deren Begründung trägt sie vor, bei der Prüfung, ob eine geogra-
fische Bezeichnung als Angabe über die Herkunft von Waren und Dienstleistun-
gen geeignet sei, komme nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichts-
hofs (GRUR 1999, 723 ff., 725 – Chiemsee) vornehmlich dem Verständnis und den
Vorstellungen der angesprochenen Verkehrskreise Bedeutung zu. Das Eintra-
gungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG setze voraus, dass die Angabe für
den Verkehr subjektiv relevant sein könne. Deshalb stelle insbesondere die Be-
kanntheit der geografischen Angabe im inländischen Verkehr ein maßgebliches
Beurteilungskriterium dar. Bei einer im Verkehr im Wesentlichen unbekannten ge-
ografischen Angabe bedürfe es deshalb der Feststellung eines gegenwärtigen
oder zukünftigen Freihaltungsbedürfnisses an dieser Angabe, wobei auch mögli-
che zukünftige Entwicklungen zu berücksichtigen seien, allerdings nur insoweit,
als diese vernünftigerweise zu erwarten seien (BGH GRUR 2003, 882 ff. – Lich-
tenstein). Bei Zugrundelegung dieses rechtlichen Beurteilungsmaßstabs stehe der
Eintragung der angemeldeten Marke ein Schutzhindernis nicht entgegen. Ein er-
heblicher Teil der durchschnittlich informierten deutschen Endverbraucher und ein
ebensolcher Teil des inländischen Fachverkehrs kenne „Samoa“ als Name des
südpazifischen Inselstaates gar nicht. Mit nur etwa 180.000 Einwohnern verfüge
der Staat „Samoa“ nicht über eine relevante Größe. Der deutsche Verkehr kenne
nicht einmal einen Bruchteil der deutschen Orts- und Städtenamen. Noch weniger
bekannt seien ihm die Namen ausländischer Orte, Regionen und auch Staaten.
Das Bundespatentgericht habe in seinen Entscheidungen zu den als Marken an-
gemeldeten geografischen Angaben „Halcyon“ (PAVIS PROMA, 24 W (pat) 10/08)
und „Carcavelos“ (PAVIS PROMA, 29 W (pat) 68/07) festgestellt, dass die man-
gelnde Bekanntheit kleinerer Orte in einem nicht unbeachtlichen Teil des inländi-
schen Verkehrs nicht nur für deren Unterscheidungskraft, sondern auch gegen ein
Freihaltungsbedürfnis spreche. In Samoa gebe es nach den Feststellungen der
Markenstelle weder aktuell Produktionsstätten und Handelsunternehmen für Mö-
bel noch seien tatsächliche Anhaltspunkte für deren zukünftige Ansiedlung an die-
sem Ort von der Markenstelle festgestellt worden oder sonst feststellbar. Die da-
nach verbleibende theoretische Möglichkeit der zukünftigen Ansiedlung solcher
Betriebe an diesem Ort reiche für die Zurückweisung der Anmeldung gemäß § 8
Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (GRUR
2009, 994 – Vierlinden) nicht aus. Ergänzend verweist die Anmelderin auf eine
Senatsentscheidung (BPatG PAVIS PROMA 26 W (pat) 89/95), mit der die
Schutzfähigkeit von „Tonga“, dem Namen eines ozeanischen Inselstaates, bejaht
worden ist.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

die mit der Beschwerde angegriffenen Beschlüsse der Marken-
stelle für Klasse 20 des Deutschen Patent- und Markenamts auf-
zuheben.

II

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist unbegründet. Der Eintragung der
angemeldeten Marke für die mit der Anmeldung beanspruchten Waren steht das
Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.
Die Bejahung dieses Schutzhindernisses setzt in Bezug auf geografische Anga-
ben voraus, dass diese zur Bezeichnung der geographischen Herkunft der bean-
spruchten Waren und Dienstleistungen dienen können. Sofern eine Verwendung
als Herkunftsangabe noch nicht stattfindet, ist zu prüfen, ob sie vernünftigerweise
in Zukunft zu erwarten ist (Prognoseentscheidung; EuGH GRUR 1999,
723 – Chiemsee; BGH GRUR 2003, 882, 883 – Lichtenstein; GRUR 2009, 994,
Nr. 15 – Vierlinden). Von entscheidender Bedeutung sind hierbei einerseits die
tatsächlichen Gegebenheiten an dem fraglichen Ort in Bezug auf die
beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits die Frage, inwieweit
diese Gegebenheiten den beteiligten Verkehrskreisen bekannt sind.

Für die Eignung einer Ortsangabe zur Beschreibung der geographischen Herkunft
von Waren und Dienstleistungen sprechen vor allem tatsächliche Anhaltspunkte
wie der Umstand, dass in dem fraglichen Ort bereits einschlägige Herstellungs-
oder Leistungsunternehmen existieren. Das Vorhandensein entsprechender Ge-
werbebetriebe in dem fraglichen Ort stellt aber keine notwendige Voraussetzung
für die Annahme des Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dar
(EuGH a. a. O. – Chiemsee; BGH a. a. O. – Lichtenstein). Vielmehr kommt es da-
rauf an, ob angesichts der objektiven Gesamtumstände, insbesondere der wirt-
schaftlichen Bedeutung des Ortes und der Infrastruktur der umliegenden Region,
die Möglichkeit der Eröffnung solcher Betriebe im Zuge der künftigen wirtschaftli-
chen Entwicklung vernünftigerweise zu erwarten oder auszuschließen ist (EuGH
a .a. O. – Chiemsee). Während nach früherer deutscher Spruchpraxis besondere
Feststellungen erforderlich waren, um von einer künftigen Verwendbarkeit als ge-
ographische Herkunftsangabe ausgehen zu können, bedarf es nunmehr nach der
Rechtsprechung des EuGH umgekehrt besonderer Anhaltspunkte dafür, dass eine
Ortsbezeichnung ausnahmsweise nicht geeignet ist, im Verkehr als Angabe über
die geographische Herkunft der betroffenen Waren und Dienstleistungen zu die-
nen (BGH a. a. O. – Lichtenstein). Das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 ist
somit nur überwunden, wenn auszuschließen ist, dass die betroffenen Waren oder
Dienstleistungen mit dem als solchen erkennbaren Ort vernünftigerweise in Ver-
bindung gebracht werden können (EuGH a. a. O. – Chiemsee; BPatG GRUR
2006, 509, 510 – PORTLAND).

Gegen die Eignung eines Ortsnamens als beschreibende geographische Her-
kunftsangabe kann vor allem der Umstand sprechen, dass sich der fragliche Ort
weder gegenwärtig als Sitz entsprechender Herstellungs-, Vertriebs- oder
Leistungsunternehmen anbietet, noch mit anderen relevanten Anknüpfungspunk-
ten in Zukunft ernsthaft zu rechnen ist, weil eine dahingehende wirtschaftliche
Entwicklung wegen der geographischen Eigenschaften des Ortes auch aus Sicht
der beteiligten Verkehrskreise völlig unwahrscheinlich ist (EuGH a. a. O. – Chiem-
see; EuG PAVIS PROMA T-226/09, Entscheidung vom 08.07.2009 – Alaska;
BPatG PAVIS PROMA 29 W (pat) 68/07, Beschluss vom 11.11.2009 – Carcavelos;
SchweizBG GRUR Int. 2003, 1037, 1038 f. – YUKON).

§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG setzt neben dem objektiv beschreibenden Charakter
einer Angabe weiterhin voraus, dass die Angabe aus Sicht der beteiligten Ver-
kehrskreise als beschreibende Bezeichnung der beanspruchten Waren und
Dienstleistungen verständlich ist und deshalb gemäß dieser Bestimmung „im Ver-
kehr“ zur Beschreibung dieser Waren und Dienstleistungen dienen kann. Die be-
teiligten Kreise müssen den betreffenden Ort mit den beanspruchten Waren und
Dienstleistungen in Verbindung bringen können bzw. es muss vernünftigerweise
zu erwarten sein, dass sie zukünftig eine solche Verbindung herstellen können
(EuGH a. a. O. – Chiemsee; BGH a. a. O. – Lichtenstein; a. a. O. – Vierlinden). Die
insoweit maßgeblichen Verkehrskreise definiert der EuGH als „den Handel
und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständi-
gen Durchschnittsverbraucher“. Damit kann auch das Verständnis der am Handel
beteiligten Fachkreise allein von ausschlaggebender Bedeutung sein. Bei Namen
von Ländern, Regionen, größeren Städten oder sonst wirtschaftlich bedeutenden
Örtlichkeiten besteht eine grundsätzliche Vermutung dafür, dass sie als geogra-
phische Herkunftsangaben für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen
ernsthaft in Betracht zu ziehen sind (BGH GRUR 1994, 905, 907 – Schwarzwald-
Sprudel; BPatG GRUR 2000, 149, 150 – WALLIS; EuG GRUR 2004,
148 – OLDENBURGER). BPatG PAVIS PROMA 28 W (pat) 279/04 – FES /Name
einer der bedeutendsten Städte Marokkos; 27 W (pat) 517/10 ­ Gizeh /Name der
drittgrößten Stadt in Ägypten). In erster Linie können Bezeichnungen über den
Herstellungsort der Waren nicht monopolisiert werden, weil dieser häufig bei der
Beschreibung der Waren angegeben wird. Ausnahmsweise kann auch der
Vertriebsort als beschreibende Angabe in Betracht kommen. Angesichts des
Erfahrungssatzes,   dass    die   häufig   vielfältigen   Vertriebsstätten   für   die
Eigenschaften der fraglichen Waren meist ohne entscheidende Bedeutung sind,
bedarf es hierfür aber spezieller branchenbezogener Erörterungen (BPatG GRUR
2005, 677, 678 – Newcastle).

Ein Schutzhindernis besteht darüber hinaus auch bei Ortsbezeichnungen, welche
die Auffassung der Verbraucher in anderer Weise beeinflussen können, zum Bei-
spiel dadurch, dass diese eine Verbindung zwischen den Waren und Dienst-
leistungen und einem Ort herstellen, mit dem sie positiv besetzte Vorstellungen
verknüpfen (EuGH a. a. O. – Chiemsee). Solche Vorstellungen können zum Bei-
spiel auf einem bestimmten Lebensstil oder einem besonderen Flair, auf Tradition
oder Modernität berufen, die der Verkehr mit dem Ort verbindet.

Bei Zugrundelegung dieses rechtlichen Maßstabs ist die Eignung von „Samoa“ als
geografische Herkunftsangabe für die in der Anmeldung aufgeführten Waren, für
die die angemeldete Marke eingetragen werden soll, zu bejahen.

Samoa ist – wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat – der Name eines In-
selstaates im südwestlichen Pazifik mit etwa 181.000 Einwohnern. In Samoa wer-
den, soweit feststellbar, Möbel und Möbelzubehör derzeit nicht hergestellt. Auch
die Markenstelle hat hierfür keine Nachweise ermitteln können. Es gibt jedoch in
Samoa nach den zutreffenden, von der Anmelderin nicht in Abrede gestellten
Feststellungen eine holzverarbeitende Industrie und – mit der Autozubehörbran-
che – auch ein industrielle Unternehmen, die Metall und Kunststoff verarbeiten. Die
Vegetation in Samoa umfasst zudem Kokospalmen, deren hartes Holz sich auch
hervorragend zur Herstellung von Möbeln eignet. Bei Samoa handelt es sich zu-
dem um den Namen eines Staates, bei dem eine grundsätzliche Vermutung dafür
spricht, dass er als geografische Herkunftsangabe für eine Vielzahl von Waren
und Dienstleistungen benötigt wird (BGH a. a. O. – Schwarzwald-Sprudel). „Sa-
moa“ ist des Weiteren ein Inbegriff für Südsee und Urlaub in der Südsee, weshalb
der deutsche Verkehr mit dem Namen dieses Staates und dieser Insel positiv be-
setzte Vorstellungen verbindet. Bei dieser Sachlage kann nicht ausgeschlossen
werden, dass in Samoa künftig auch Möbel und andere Waren der mit der Anmel-
dung beanspruchten Art produziert werden und „Samoa“ künftig als geografische
Herkunftsangabe für diese Waren im Verkehr – auch für den Export in die Bundes-
republik Deutschland – benötigt wird.

Die Beschwerde der Anmelderin kann deshalb keinen Erfolg haben.

Dr. Fuchs-Wissemann                 Hermann                              Reker

Bb