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1. Bei Kennzeichen, die in Bezug auf die beanspruchten Waren um Angaben ihrer geografischen Herkunft dienen können, besteht ein absolutes Schutzhindernis. Ich hatte darauf  anhand der Entscheidung zu dem Kennzeichen „Samoa“  hingewiesen. Anders als der Inselstaat, dessen Name sich für Möbel zu einem Herkunfshinweis entwickelt könne, sei dies im Fall Orvieto nicht der Fall.

2. Die Entscheidung ist nicht ganu nachzuvollziehen, da es sich bei Orvieto um ein bekanntes Weinbaugebiet handelt, das laut Wikipedia einen hervorragenden Ruf genießt.

Das BPatG: “ Ein Schutzhindernis besteht darüber hinaus auch bei Ortsbezeichnungen, welche die Auffassung der Verbraucher in anderer Weise beeinflussen können, zum Beispiel dadurch, dass diese eine Verbindung zwischen den Waren und Dienstleistungen und einem Ort herstellen, mit dem sie positiv besetzte Vorstellungen verknüpfen (EuGH a. a. O. – Chiemsee). Solche Vorstellungen können zum Beispiel auf einem bestimmten Lebensstil oder einem besonderen Flair, auf Tradition oder Modernität berufen, die der Verkehr mit dem Ort verbindet.“

Eine solche Verbindung sah das BPatG im Falle „Orvieto“ nicht. Weinliebhaber ? Sicherlich nicht.
Die Entscheidung:
BUNDESPATENTGERICHT

26 W (pat) 2/12
_______________________

(Aktenzeichen)

BESCHLUSS

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 005 581.2

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 14. November 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr. Fuchs-Wissemann sowie der Richter Reker und Hermann
beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der
Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patent- und Marken-
amts vom 10. November 2010 und 7. September 2011 aufgeho-
ben.

Gründe

I

Die Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Anmeldung der für die Waren der Klasse 20

„Möbel; Garten- und Campingmöbel aus Holz, Kunststoff, Metall,
Korb, Rohr, Binse, Weide; Ständer und Halterungen zum Aufstel-
len/Befestigen von Sonnenschirmen; aufblasbare Möbel“

bestimmten Marke

Orvieto

mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist,
gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen, weil es sich bei der angemel-
deten Marke in Bezug auf die beanspruchten Waren um eine Angabe handele, die
zur Bezeichnung ihrer geografischen Herkunft dienen könne (§ 8 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG). Zur Begründung hat sie unter Hinweis auf entsprechende Eintragungen
im Internetlexikon „Wikipedia“ ausgeführt, „Orvieto“ sei der Name einer mittelitali-
enischen, in der umbrischen Provinz Terni gelegenen Stadt mit etwa 21.000 Ein-
wohnern. Die Stadt, die über einen Dom sowie weitere Sehenswürdigkeiten ver-
füge, sei auch Namensgeber des sie umgebenden Weinbaugebietes. Angesichts
der touristischen Bedeutung der Stadt sei davon auszugehen, dass der Ortsname
„Orvieto“ einem markenrechtlich erheblichen Teil der allgemeinen Verkehrskreise
bekannt sei. Die Art der beanspruchten Waren, nämlich schwerpunktmäßig Gar-
ten-, Camping- und Freizeitmöbel, und die Fortentwicklung des Handels innerhalb
der Europäischen Union ließen die Herkunft dieser Waren aus Orvieto und deren
Import nach Deutschland nicht als ungewöhnlich oder unwahrscheinlich erschei-
nen. Bei dieser Sachlage sei anzunehmen, dass Wettbewerber künftig darauf an-
gewiesen seien, die als Marke angemeldete geografische Angabe beschreibend
als Herkunftsangabe verwenden zu können. Dass die als Marke angemeldete
Ortsangabe bisher für die beanspruchten Waren noch nicht als geografische Her-
kunftsbezeichnung verwendet worden sei, hindere die Schutzversagung nicht, weil
es nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG allein darauf ankomme, dass sie als beschrei-
bende Angabe der geografischen Herkunft der Waren dienen könne.

Gegen die Zurückweisung der Anmeldung wendet sich die Anmelderin mit ihrer
Beschwerde. Zu deren Begründung trägt sie vor, bei der Prüfung, ob eine geogra-
fische Bezeichnung als Angabe über die Herkunft von Waren und Dienstleistun-
gen geeignet sei, komme nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichts-
hofs (GRUR 1999, 723 ff., 725 – Chiemsee) vornehmlich dem Verständnis und den
Vorstellungen der angesprochenen Verkehrskreise Bedeutung zu. Das Eintra-
gungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG setze voraus, dass die Angabe für
den Verkehr subjektiv relevant sein könne. Deshalb stelle insbesondere die Be-
kanntheit der geografischen Angabe im inländischen Verkehr ein maßgebliches
Beurteilungskriterium dar. Bei einer im Verkehr im Wesentlichen unbekannten ge-
ografischen Angabe bedürfe es deshalb der Feststellung eines gegenwärtigen
oder zukünftigen Freihaltungsbedürfnisses an dieser Angabe, wobei auch mögli-
che zukünftige Entwicklungen zu berücksichtigen seien, allerdings nur insoweit,
als diese vernünftigerweise zu erwarten seien (BGH GRUR 2003, 882 ff. – Lich-
tenstein). Bei Zugrundelegung dieses rechtlichen Beurteilungsmaßstabs stehe der
Eintragung der angemeldeten Marke ein Schutzhindernis nicht entgegen. Ein er-
heblicher Teil der durchschnittlich informierten deutschen Endverbraucher und ein
ebensolcher Teil des inländischen Fachverkehrs kenne die italienische Kleinstadt
Orvieto nicht. Er kenne nicht einmal einen Bruchteil der deutschen Orts- und
Städtenamen. Noch weniger bekannt seien ihm die Namen kleinerer ausländi-
scher Orte, Regionen und auch Staaten. Das Bundespatentgericht habe in seinen
Entscheidungen zu den als Marken angemeldeten geografischen Angaben
„Halcyon“ (PAVIS PROMA, 24 W (pat) 10/08) und „Carcavelos“ (PAVIS PROMA,
29 W (pat) 68/07) festgestellt, dass die mangelnde Bekanntheit kleinerer Orte in
einem nicht unbeachtlichen Teil des inländischen Verkehrs nicht nur für deren
Unterscheidungskraft, sondern auch gegen ein Freihaltungsbedürfnis spreche. In
der Stadt Orvieto gebe es nach den Feststellungen der Markenstelle weder aktuell
Produktionsstätten und Handelsunternehmen für Möbel noch seien tatsächliche
Anhaltspunkte für deren zukünftige Ansiedlung an diesem Ort von der Marken-
stelle festgestellt worden oder sonst feststellbar. Die danach verbleibende theore-
tische Möglichkeit der zukünftigen Ansiedlung solcher Betriebe an diesem Ort rei-
che für die Zurückweisung der Anmeldung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nach
der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (GRUR 2009, 994 – Vierlinden)
nicht aus.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

die mit der Beschwerde angegriffenen Beschlüsse der Marken-
stelle für Klasse 20 des Deutschen Patent- und Markenamts auf-
zuheben.

II

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist begründet. Der Eintragung der an-
gemeldeten Marke für die mit der Anmeldung beanspruchten Waren steht das
Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht entgegen. Der angemeldeten
Marke fehlt für diese Waren auch nicht jegliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8
Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

1.    Die Bejahung des Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG setzt
in Bezug auf geografische Angaben voraus, dass diese zur Bezeichnung der geo-
graphischen Herkunft der beanspruchten Waren und Dienstleistungen dienen
können. Sofern eine Verwendung als Herkunftsangabe noch nicht stattfindet, ist
zu prüfen, ob sie vernünftigerweise in Zukunft zu erwarten ist (Prognoseentschei-
dung; EuGH GRUR 1999, 723 – Chiemsee; BGH GRUR 2003, 882, 883 – Lichten-
stein; GRUR 2009, 994, Nr. 15 – Vierlinden). Von entscheidender Bedeutung sind
hierbei einerseits die tatsächlichen Gegebenheiten an dem fraglichen Ort in Bezug
auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits die Frage,
inwieweit diese Gegebenheiten den beteiligten Verkehrskreisen bekannt sind.

Für die Eignung einer Ortsangabe zur Beschreibung der geographischen Herkunft
von Waren und Dienstleistungen sprechen vor allem tatsächliche Anhaltspunkte
wie der Umstand, dass in dem fraglichen Ort bereits einschlägige Herstellungs-
oder Leistungsunternehmen existieren. Das Vorhandensein entsprechender Ge-
werbebetriebe in dem fraglichen Ort stellt aber keine notwendige Voraussetzung
für die Annahme des Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dar
(EuGH a. a. O. – Chiemsee; BGH a. a. O. – Lichtenstein). Vielmehr kommt es da-
rauf an, ob angesichts der objektiven Gesamtumstände, insbesondere der wirt-
schaftlichen Bedeutung des Ortes und der Infrastruktur der umliegenden Region,
die Möglichkeit der Eröffnung solcher Betriebe im Zuge der künftigen wirtschaftli-
chen Entwicklung vernünftigerweise zu erwarten oder auszuschließen ist (EuGH
a. a. O. – Chiemsee). Während nach früherer deutscher Spruchpraxis besondere
Feststellungen erforderlich waren, um von einer künftigen Verwendbarkeit als ge-
ographische Herkunftsangabe ausgehen zu können, bedarf es nunmehr nach der
Rechtsprechung des EuGH umgekehrt besonderer Anhaltspunkte dafür, dass eine
Ortsbezeichnung ausnahmsweise nicht geeignet ist, im Verkehr als Angabe über
die geographische Herkunft der betroffenen Waren und Dienstleistungen zu die-
nen (BGH a. a. O. – Lichtenstein). Das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 ist
somit nur überwunden, wenn auszuschließen ist, dass die betroffenen Waren oder
Dienstleistungen mit dem als solchen erkennbaren Ort vernünftigerweise in Ver-
bindung gebracht werden können (EuGH a. a. O. – Chiemsee; BPatG GRUR
2006, 509, 510 – PORTLAND).

Gegen die Eignung eines Ortsnamens als beschreibende geographische Her-
kunftsangabe kann vor allem der Umstand sprechen, dass sich der fragliche Ort
weder gegenwärtig als Sitz entsprechender Herstellungs-, Vertriebs- oder
Leistungsunternehmen anbietet, noch mit anderen relevanten Anknüpfungspunk-
ten in Zukunft ernsthaft zu rechnen ist, weil eine dahingehende wirtschaftliche
Entwicklung wegen der geographischen Eigenschaften des Ortes auch aus Sicht
der beteiligten Verkehrskreise völlig unwahrscheinlich ist (EuGH a. a. O. – Chiem-
see; EuG PAVIS PROMA T-226/09, Entscheidung vom 08.07.2009 – Alaska;
BPatG PAVIS PROMA 29 W (pat) 68/07, Beschluss vom 11.11.2009 – Carcavelos;
SchweizBG GRUR Int. 2003, 1037, 1038 f. – YUKON).

§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG setzt neben dem objektiv beschreibenden Charakter
einer Angabe weiterhin voraus, dass die Angabe aus Sicht der beteiligten Ver-
kehrskreise als beschreibende Bezeichnung der beanspruchten Waren und
Dienstleistungen verständlich ist und deshalb gemäß dieser Bestimmung „im Ver-
kehr“ zur Beschreibung dieser Waren und Dienstleistungen dienen kann. Die be-
teiligten Kreise müssen den betreffenden Ort mit den beanspruchten Waren und
Dienstleistungen in Verbindung bringen können bzw. es muss vernünftigerweise
zu erwarten sein, dass sie zukünftig eine solche Verbindung herstellen können
(EuGH a. a. O. – Chiemsee; BGH a. a. O. – Lichtenstein; a. a. O. – Vierlinden). Die
insoweit maßgeblichen Verkehrskreise definiert der EuGH als „den Handel
und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständi-
gen Durchschnittsverbraucher“. Damit kann auch das Verständnis der am Handel
beteiligten Fachkreise allein von ausschlaggebender Bedeutung sein. Bei Namen
von Ländern, Regionen, größeren Städten oder sonst wirtschaftlich bedeutenden
Örtlichkeiten besteht eine grundsätzliche Vermutung dafür, dass sie als geogra-
phische Herkunftsangaben für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen
ernsthaft in Betracht zu ziehen sind (BGH GRUR 1994, 905, 907 – Schwarzwald-
Sprudel; BPatG GRUR 2000, 149, 150 – WALLIS; EuG GRUR 2004,
148 – OLDENBURGER). BPatG PAVIS PROMA 28 W (pat) 279/04 – FES /Name
einer der bedeutendsten Städte Marokkos; 27 W (pat) 517/10 – Gizeh /Name der
drittgrößten Stadt in Ägypten). In erster Linie können Bezeichnungen über den
Herstellungsort der Waren nicht monopolisiert werden, weil dieser häufig bei der
Beschreibung der Waren angegeben wird. Ausnahmsweise kann auch der
Vertriebsort als beschreibende Angabe in Betracht kommen. Angesichts des
Erfahrungssatzes,    dass    die   häufig   vielfältigen   Vertriebsstätten   für   die
Eigenschaften der fraglichen Waren meist ohne entscheidende Bedeutung sind,
bedarf es hierfür aber spezieller branchenbezogener Erörterungen (BPatG GRUR
2005, 677, 678 – Newcastle).

Ein Schutzhindernis besteht darüber hinaus auch bei Ortsbezeichnungen, welche
die Auffassung der Verbraucher in anderer Weise beeinflussen können, zum Bei-
spiel dadurch, dass diese eine Verbindung zwischen den Waren und Dienst-
leistungen und einem Ort herstellen, mit dem sie positiv besetzte Vorstellungen
verknüpfen (EuGH a. a. O. – Chiemsee). Solche Vorstellungen können zum Bei-
spiel auf einem bestimmten Lebensstil oder einem besonderen Flair, auf Tradition
oder Modernität berufen, die der Verkehr mit dem Ort verbindet.

Bei Zugrundelegung dieses rechtlichen Maßstabs ist die Eignung von „Orvieto“ als
geografische Herkunftsangabe für die in der Anmeldung aufgeführten Waren, für
die die angemeldete Marke eingetragen werden soll, zu verneinen.

Orvieto ist – wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat – der Name einer italie-
nischen Kleinstadt mit ca. 21.000 Einwohnern. In Orvieto werden, soweit feststell-
bar, Möbel und Möbelzubehör derzeit nicht hergestellt. Auch die Markenstelle hat
hierfür keine Nachweise ermitteln können.
Entgegen der Ansicht der Markenstelle liegen auch keine ausreichenden tatsächli-
chen Anhaltspunkte für eine zukünftige Eignung von „Orvieto“ als geografische
Herkunftsangabe vor. Die Infrastruktur der im Inland wenig bekannten Kleinstadt
Orvieto ist – wie auch die Markenstelle einräumt – weitgehend vom Tourismus und
vom Weinbau geprägt. Das Umland von Orvieto ist ländlich. Gegebenheiten, die
künftig auch die Herstellung von Möbeln in Orvieto erwarten lassen könnten, sind
dagegen nicht ersichtlich und auch von der Markenstelle nicht aufgezeigt worden.
Gegen das Entstehen eines Holz, Metall oder Kunststoff verarbeitenden Gewer-
bes spricht insbesondere, dass es in Orvieto und in seinem Umland an den zur
Herstellung von Möbeln notwendigen Grundstoffen – wie z. B. Holz – sowie an
Unternehmen fehlt, die Grundstoffe wie Kunststoffe oder Metalle als Halbfabrikate
erzeugen. Angesichts des Fehlens einer entsprechenden Infrastruktur reicht allein
die touristische und landwirtschaftliche Bedeutung von Orvieto nicht aus, um ein in
der Zukunft bestehendes Freihaltungsbedürfnis an dieser geografischen Angabe
in Bezug auf die in der Anmeldung beanspruchten Waren zu begründen. Es ist
auch nicht erkennbar, dass und ggf. welche positiv besetzten Vorstellungen der
von der Ware Möbel angesprochene inländische Verkehr mit Orvieto verbinden
und auf die beanspruchten Waren übertragen könnte. Bei dieser Sachlage fehlen
ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme einer künftigen Eignung
des Wortes „Orvieto“ als geografische Herkunftsangabe für Möbel und die sonsti-
gen mit der Anmeldung beanspruchten Waren.

2.    Der Ortsbezeichnung „Orvieto“ fehlt für die fraglichen Waren auch nicht
jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

Unterscheidungskraft im Sinne der in Frage stehenden Vorschrift ist die einer
Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel
für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens
gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. BGH, Be-
schl. v. 8.12.1999 ­ I ZB 25/97, GRUR 2000, 502, 503 = WRP 2000, 520 – St.
Pauli Girl; Beschl. v. 10.2.2000 ­ I ZB 37/97, GRUR 2000, 720, 721 = WRP 2000,
739 – Unter Uns). Denn Hauptfunktion der Marke ist es, die Ursprungsidentität der
gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH, Urt.
v. 29.9.1998 – Rs. C-39/97, Slg. 1998, I-5507 = GRUR 1998, 922, 924
Tz. 28 – Canon; BGH, Beschl. v. 8.10.1998 ­ I ZB 35/95, GRUR 1999, 245, 246
= WRP 1999, 196 – LIBERO; GRUR 2000, 882 – Bücher für eine bessere Welt).
Dabei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d. h. jede
auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu
überwinden. Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren im Vordergrund
stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich
auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache, das vom
Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung –
stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt
es   keinen     tatsächlichen   Anhalt   dafür,   dass   ihr   die   vorerwähnte
Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH,
Beschl. v. 11.5.2000 – I ZB 22/98, GRUR 2001, 162, 163 = WRP 2001,
35 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).

Bei der angemeldeten Marke handelt es sich nicht um eine Angabe, die einen be-
schreibenden Begriffsgehalt aufweist, welcher bei einer Verwendung der Marke für
die beanspruchten Waren ohne weiteres als solcher erfasst wird. Der Ort Orvieto
ist – anders als etwa große oder mittlere italienische Städte – weiten Teilen des
deutschen Verkehrs unbekannt. Der Allgemeinverkehr wird deshalb die angemel-
dete Marke auf dem Möbelsektor im Allgemeinen nicht als beschreibende geogra-
fische Herkunftsangabe verstehen. Auch für den Fachverkehr gilt nichts anderes,
weil Orvieto auch nicht als Herstellungsort für Möbel berühmt oder bekannt ist. Da
es sich bei Orvieto auch sonst nicht um ein im Bereich der beanspruchten Waren
bekanntes, beschreibend verwendetes Wort handelt, gibt es keinen tatsächlichen
Anhalt dafür, dass der angemeldeten Marke für diese Waren jegliche Unterschei-
dungskraft fehlt.
Weitere Schutzhindernisse sind weder von der Markenstelle in den angegriffenen
Beschlüssen noch im vorangegangenen Beanstandungsbescheid aufgegriffen
worden. Der Beschwerde der Anmelderin ist daher stattzugeben.

Dr. Fuchs-Wissemann               Hermann                              Reker

Bb