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Bei der Prüfung der Voraussetzungen des  § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, wonach Marken von der Eintragung ausgeschlossen sind, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Beschaffenheit, der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale von Dienstleistungen dienen können, sind
nicht nur die aktuellen Gegebenheiten zu beachten, sondern es ist auch die Möglichkeit zu erörtern, ob eine beschreibende Verwendung der fraglichen Marke vernünftigerweise in der Zukunft erwartet werden kann.

Hier hatte das DPMA der Marke „Motherbook“ die Eintragung mit Hinweis auf § 8 Abs.2 Nr. 2 verweigert. Die Entscheidung wurde vom BPatG aufgehoben, da der Begriff weder aktuell noch zukünftig freihaltebedürftig sei.

 

Die Entscheidung:

 

 

BUNDESPATENTGERICHT

26 W (pat) 532/11

BESCHLUSS

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 043 642.5

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 11. Januar 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr. Fuchs-Wissemann sowie des Richters Reker und der Richterin Dr. Schnurr

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Mar-

kenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts
vom 8. Juni 2011 aufgehoben.

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 8. Juni 2011 hat die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen
Patent- und Markenamts die Anmeldung der Wortmarke 30 2010 043 642.5

motherbook,

die nach einer Beschränkung des Dienstleistungsverzeichnisses in der Beschwer-
deinstanz noch Schutz für die Dienstleistungen

,,Klasse 38: Bereitstellen des Zugriffs auf ein weltweites Computernetzwerk; Be-
reitstellen von Telekommunikationsverbindungen zu einem weltweiten Computer-
netzwerk; Bereitstellung von Internet-Chatrooms; Bereitstellung von Telekom-
munikationskanälen für Teleshopping-Dienste; Chatrooms (Bereitstellung von In-
ternet); elektronische Anzeigenvermittlung; Kommunikationsdienste mittels Com-
puterterminals; Leitungs-, Routing- und Verbindungsdienstleistungen für die Tele-
kommunikation; Nachrichten- und Bildübermittlung mittels Computer; Vermietung
von Zugriffszeit auf globale Computernetzwerke; Verschaffen des Zugriffs zu Da-
tenbanken;

Klasse 41: Bereitstellen von Computer- und Online-Datenbanken im Bereich von
Unterhaltung und Gemeinschaftsaktivitäten; Auskünfte über Freizeitaktivitäten;
Dienstleistungen bezüglich Freizeitgestaltung; elektronischer Austausch von Fotos
und Videos; online angebotene Spieldienstleistungen [von einem Computernetz-
werk]; Unterhaltungsplanung;

Klasse 42: Computer-Dienstleistungen, insbesondere das Erzeugen von virtuellen
Gemeinschaften für registrierte Nutzer zur Organisation von Gruppen und Veran-
staltungen, zur Diskussionsteilnahme und zur Teilnahme an sozialen, geschäftli-
chen und Gemeinschafts-Vernetzungsstrategien; Entwicklungs- und Recherche-
dienste bzgl. neuer Produkte für Dritte; technologische Dienstleistungen und For-
schungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; industrielle Ana-
lyse- und Forschungsdienstleistungen; Entwurf und Entwicklung von Computer-
hardware und -software“

beansprucht, mit der Begründung zurückgewiesen, dass dem freihaltebedürftigen
Zeichen zugleich jegliche Unterscheidungskraft fehle, § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Mar-
kenG. ,,Motherbook“ sei aus den gebräuchlichen Begriffen der englischen Sprache
,,mother“ in der Bedeutung von ,,Mutter“ und ,,book“ mit dem Sinngehalt von
,,(elektronisches) Buch, selbständige (elektronische) Veröffentlichung/Publikation“
gebildet. Der Wortbestandteil ,,book“ habe sich in der Computerwelt bereits als
sog. ,,E-Book“ bzw. analog der bekannten Internet-Plattform ,,Facebook“ als ein
Gemeinschaftsportal zum Erstellen und Betreiben sozialer (Computer-)Netzwerke
oder allgemein als Synonym von Internetplattformen etabliert. Hierbei habe der
Begriff ,,book“ zwischenzeitlich eine Bedeutungserweitung erfahren und werde im
Internet, wie die Beispiele ,,Geldbook, Finanzbook, Schülerbook“ und ,,Friends-
book“ zeigten, häufig in Wortkombinationen als Hinweis auf soziale Netzwerke
bzw. Internetplattformen verwendet. Die angesprochenen inländischen Verkehrs-
kreise würden die angemeldete Wortfolge deshalb nur als eng beschreibende
Sachinformation hinsichtlich der Art und Bestimmung der angebotenen Dienst-
leistungen bzw. des schwerpunktmäßigen Themen-/Tätigkeitsgebiets der Anmel-
derin i. S. v. ,,elektronisches Buch, Internet-Plattform, soziale Computer-Netz-
werke, selbständige elektronische Veröffentlichung(en), Publikation(en) für/über
(werdende) Mütter oder von (künftigen) Müttern“ verstehen und dem angemelde-
ten Zeichen keine Unterscheidungskraft beimessen. Im Hinblick auf die bean-
spruchten Dienstleistungen stelle ,,motherbook“ schließlich auch eine beschrei-
bende Angabe im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dar, an der die Mitbewer-
ber ein berechtigtes Freihaltebedürfnis im Allgemeininteresse hätten.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde.

Sie beantragt,

den Beschluss hat die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 8. Juni 2011 aufzuheben.

II.

Die zulässige Beschwerde erweist sich nach Beschränkung des Dienstleistungs-
verzeichnisses als begründet. Der begehrten Eintragung in das Markenregister
steht weder das Eintragungshindernis fehlender Unterscheidungskraft, § 8 Abs. 2
Nr. 1 MarkenG, noch das einer Produktmerkmalsbezeichnung im Sinne von § 8
Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen, sofern ,,motherbook“ zur Kennzeichnung der
nunmehr noch beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 38, 41 und 42 ver-
wendet wird.

Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen,
die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr u. a.
zur Bezeichnung der Beschaffenheit, der Bestimmung oder zur Bezeichnung
sonstiger Merkmale von Dienstleistungen dienen können. Bei dieser Prüfung sind
nicht nur die aktuellen Gegebenheiten zu beachten, sondern es ist auch die Mög-
lichkeit zu erörtern, ob eine beschreibende Verwendung der fraglichen
Marke vernünftigerweise in der Zukunft erwartet werden kann (Ströbele/Hacker,
Markengesetz, 9. Aufl., Rn. 243 zu § 8). Erforderlich ist insoweit eine realitätsbe-
zogene Prognose, die auch mögliche, nicht außerhalb der Wahrscheinlichkeit lie-
gende zukünftige wirtschaftliche Entwicklungen berücksichtigt, welche eine be-
schreibende Verwendung der betreffenden Angabe vernünftigerweise erwarten
lassen (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, 726 (Nr 31, 37) – Chiemsee; GRUR 2004,
674, 676 (Nr 56) – Postkantoor; BGH GRUR 2003, 882, 883 – Lichtenstein;
GRUR 2008, 900, 902 (Nr 23) – SPA II; Hackbarth, MarkenR 1999, 329, 330 f.;
Ströbele WRP 2000, 1028, 1031). Für die nunmehr noch beanspruchten Dienst-
leistungen ist das angemeldete Zeichen nach Maßgabe dieser Voraussetzungen
jedoch weder aktuell noch zukünftig freihaltebedürftig im Sinne des § 8 Abs. 2
Nr. 2 MarkenG:

Wie die von der Markenstelle zur Akte gereichten Belege zeigen, stellt ,,mother-
book“ bzw. ,,mother book“ keinen Begriff der englischen Sprache dar, der in Wör-
terbüchern verzeichnet mit einer bestimmten Bedeutung ins Deutsche zu über-
setzen wäre. Insbesondere lässt sich keine Bedeutung von ,,motherbook“ i. S. v.
,,Hauptbuch, Buch für Buchhaltung“ nachweisen. Im Englischen trägt ein solches
Buch vielmehr die Bezeichnung ,,general ledger“ (vgl. PONS Großwörterbuch
Englisch, 1. Aufl. 2008, S. 408).

Ungeachtet der Bekanntheit einer Website zum Betreiben sozialer Netzwerke na-
mens ,,Facebook“ und der Existenz von Internetseiten mit der Bezeichnungen wie
,,Friendsbook, Schülerbook, geldbook, immobook24″ und ,,finanzbook“ werden we-
der ,,book“ noch ,,motherbook“ nach dem Ergebnis senatsinterner Recherchen ob-
jektiv als Sachbezeichnung für eine Datensammlung im Internet, ein Internetpor-
tals oder ein soziales Netzwerk verwendet. Für die Annahme, dass eine objektiv
beschreibende Verwendung von ,,motherbook“ zur Bezeichnung von Kommunika-
tionsplattformen oder virtueller Speicher im Internet vernünftigerweise in der Zu-
kunft erwartet werden könnte, fehlen ebenfalls zureichende Anhaltspunkte. Die
Aufmachung der im Jahre 2004 von Mark Zuckerberg ursprünglich für Studierende
der Harvard-Universität gegründeten Plattform ,,Facebook“ erinnert an ein Buch
mit Gesichtern, weil sich ihre Benutzer auf Profilseiten mit Fotos und Videos prä-
sentieren. Dies hat sie mit zu Semesterbeginn ua. online veröffentlichen Publika-
tionen mit Daten und Bildern der Studierenden und Mitarbeiter einer amerikani-
schen Universität gemein. Allerdings lassen weder die konkrete Aufmachung von
,,Facebook“, noch die Bezeichnung von Homepages als ,,Internetseiten“ den
Schluss zu, dass der Wortbestandteil ,,book“ für sich allein genommen oder nach-
gestellt in Verbindung mit ,,mother“ aktuell oder künftig geeignet wäre, über seine
Bedeutung als Nomen i. S. v. ,,Buch, selbständige Veröffentlichung“ hinaus objek-
tiv als Sachhinweis auf eine Datensammlung im Internet, ein Internetportal oder
ein soziales Netzwerk zu dienen, sofern er zur Kennzeichnung der nunmehr noch
beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 38, 41 und 42 verwendet wird.
Hieran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Betreiber verschie-
dener, in den Gründen des angefochtenen Beschlusses genannter Internetseiten
den Wortbestandteil ,,book“ möglicherweise nach dem Vorbild von ,,Facebook“ in
ihre Domainnamen aufgenommen haben.

Bei den nunmehr noch beanspruchten Dienstleistungen handelt es sich schließlich
weder um solche, die speziell für ein ,,Mutterbuch“ i. S. e. ,,Buches für Mütter“ bzw.
eines ,,ursprünglichen Buches“ oder der ,,Ur-Form eines Buches“ geeignet und be-
stimmt sein könnten, noch um solche, die sich thematisch mit einem ,,Mutterbuch“
in diesem Sinne befassen könnten. Da dem ,,Begriff ,,motherbook“ somit für diese
Dienstleistungen kein unmittelbar beschreibender Begriffsgehalt zukommt, steht
seiner Eintragung das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht entge-
gen.

Zugleich kann der angemeldeten Wortmarke das gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG
erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft für die nunmehr noch bean-
spruchten Dienstleistungen der Klassen 38, 41 und 42 nicht abgesprochen wer-
den: Für diese Dienstleistungen stellt ,,motherbook“ keine Produktmerkmalsbe-
zeichnung dar; auch ein enger sachlicher beschreibender Bezug zwischen ihnen
und ,,motherbook“ fehlt. Angesichts dessen ist nicht auszuschließen, dass der
durch diese Dienstleistungen vorwiegend angesprochene Geschäftskunde sowie
der interessierte durchschnittliche allgemeine Internet-Nutzer für die oben ge-
nannten Dienstleistungen ,,motherbook“ zumindest auch als Herkunftshinweis ver-
stehen wird, sofern das angemeldete Markenwort zur ihrer Kennzeichnung ver-
wendet wird.

Aus diesen Gründen hat die Beschwerde nach Beschränkung des Dienst-
leistungsverzeichnisses Erfolg.

Dr. Fuchs-Wissemann                 Reker                          Dr. Schnurr

Bb