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Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12. Dezember 2009 reicht die bloße Feststellung verminderter Einsichtsfähigkeit für eine Unterbringung nach § 63 StGB aus, da diese strafrechtlich erst  dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der Einsicht bei Begehung der Tat zur Folge hat (vgl.  BGHSt 21, 27; 34, 22, 25; vgl. auch Fischer StGB 57. Aufl. § 63 Rdn. 11  m.w.N.). Ein Täter, der trotz erheblich verminderter Einsichtsfähigkeit im konkreten  Fall die Einsicht in das Unrecht seiner Tat gehabt hat, ist -sofern nicht  seine Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war -voll schuldfähig.

Aus den Urteilsgründen:

„Das Landgericht hat den Angeklagten von den Vorwürfen der gefährlichen  Körperverletzung sowie der Nachstellung in Tateinheit mit Beleidigung in vier Fällen, mit vorsätzlicher Körperverletzung, mit gefährlicher Körperverletzung, mit Bedrohung in sechs Fällen und mit Diebstahl freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat zum Maßregelausspruch Erfolg; hinsichtlich der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen hat die Nachprüfung des Urteils keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

Die Anordnung der Unterbringung kann keinen Bestand haben, weil die Voraussetzungen des § 20 StGB oder § 21 StGB nicht, wie für die Maßregel nach § 63 StGB erforderlich, zweifelsfrei festgestellt sind. Das Landgericht hat -sachverständig beraten -die Überzeugung gewonnen, dass der Angeklagte an einer schweren kombinierten Persönlichkeitsstörung mit hypomanischen, paranoiden, narzisstischen, schizothymen und histrionischen Anteilen leidet. Infolge dieser Erkrankung unterliegt der Angeklagte periodisch Realitätsverzerrungen, Identitätsverkennungen, dem Verlust der affektiven Verhaltenskontrolle, Impulskontrollstörungen, sozialen Anpassungsstörungen und überwertigen wahnähnlichen Kognitionen [UA 7]. Davon ausgehend hat das Landgericht -auch insoweit den Sachverständigen folgend angenommen, dass dem Angeklagten zum Zeitpunkt der sämtlich gegen seine Ehefrau gerichteten Taten die Fähigkeit zur Unrechtseinsicht nicht ausschließbar gefehlt habe [UA 7, 12].  Danach ist nicht festgestellt, dass die Unrechtseinsichtsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Taten sicher aufgehoben war. Dass -wie sich dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen lässt -diese Fähigkeit jedenfalls erheblich vermindert war, genügt für die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB nicht, weil damit die Voraussetzungen des § 21 StGB nicht festgestellt sind. Eine verminderte Einsichtsfähigkeit ist strafrechtlich erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der Einsicht zur Folge hat (vgl. BGHSt 21, 27; 34, 22, 25; vgl. auch Fischer StGB 57. Aufl. § 63 Rdn. 11 m.w.N.). Ein Täter, der trotz erheblich verminderter Einsichtsfähigkeit im konkreten Fall die Einsicht in das Unrecht seiner Tat gehabt hat, ist -sofern nicht seine Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war -voll schuldfähig. In einem solchen Fall ist auch die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht zulässig.

2. Der aufgezeigte Mangel zwingt zur Aufhebung des Maßregelausspruchs, so dass die Sache insoweit erneuter umfassender Prüfung bedarf. Für den Fall, dass der neue Tatrichter eine Unterbringung nach § 63 StGB ablehnen sollte, weist der Senat auf § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO n.F. hin (vgl. hierzu auch Kuckein in KK StPO 6. Aufl. § 358 Rdn. 24 a). Auch wenn es für die Gefährlichkeitsprognose ausreicht, wenn von einem Täter erhebliche rechtswidrige Taten nur gegen bestimmte Einzelpersonen zu erwarten sind (vgl. BGHSt 26, 321 f.; BGH, Urteil vom 7. Juni 1995 -2 StR 206/95 = BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 21), wird es sich in der neuen Hauptverhandlung empfehlen, im Rahmen der Bewertung der Persönlichkeitsstörung auch das Verhalten des Angeklagten in seinen sonstigen Lebensbereichen zu berücksichtigen.