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Der Betreiber eines Hotels hat sich Einträge in einer Touristeninformation, die er nicht beauftragt oder die ergekündigt hat, nicht zurechnen zu lassen. In einem aktuellen Fall führte dies dazu, dass eine Vertragsstrafe, die für den Fall einer Markenverletzung versprochen wurde, nicht geschuldet ist.

 
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
I ZR 204/10                              Verkündet am:
9. November 2011
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 9. November 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Koch

für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Land-
gerichts Osnabrück vom 10. November 2010 wird auf Kosten
des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

1         Der Kläger betreibt in B.          im Nordschwarzwald ein Hotel. Er ver-
langt von der Beklagten, die im niedersächsischen Bad Be.         ein Hotel be-
treibt, Zahlung einer Vertragsstrafe.

2         Die Beklagte hat sich in einem am 14. November 2006 vor dem Landge-
richt Stuttgart geschlossenen Vergleich dem Kläger gegenüber verpflichtet, es
zu unterlassen, die Marke „W.       “ im geschäftlichen Verkehr im Zusammen-
hang mit Dienstleistungen eines Hotels mit dem Schwerpunkt Wellness ein-
schließlich Massage- und Kosmetikdienstleistungen und dem Betrieb von Sau-
nen, Dampfbädern, Solarien sowie eines Außenschwimmbads zu nutzen und
dafür zu werben. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung hat sie sich verpflichtet,
an den Kläger eine Vertragsstrafe von 5.000  zu zahlen. Der Beklagten wurde
dabei eine Aufbrauchs- und Umstellungsfrist bis zum 31. März 2007 einge-
räumt.

3            Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der Kläger die Beklagte aus dem
Vergleich vom 14. November 2006 auf Zahlung einer Vertragsstrafe von
5.000  nebst Zinsen und Erstattung vorprozessualer Rechtsverfolgungskosten
in Höhe von 411,30  in Anspruch. Er macht insbesondere geltend, das Unter-
nehmen der Beklagten sei im von der Touristen-Information der Stadt Bad
Be.        herausgegebenen     Gastgeberverzeichnis 2008      unter der Rubrik
„Kosmetik“ mit der Bezeichnung „W.       “ beworben worden.

4            Die Beklagte hält dem entgegen, sie habe die Touristen-Information nach
Abschluss des Vergleichs vom 14. November 2006 veranlasst, die ihr Unter-
nehmen betreffenden Einträge gemäß der von ihr gewählten neuen Bezeich-
nung „Spa 7“ abzuändern.

5            Beide Vorinstanzen haben die Klage als unbegründet angesehen. Mit
seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die
Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

6            I. Das Berufungsgericht hat die Verantwortlichkeit der Beklagten für ein
schuldhaftes Verhalten der Touristen-Information, über die die Parteien in der
Revisionsinstanz allein noch gestritten haben, mit folgender Begründung ver-
neint:

7          Der zwischen den Parteien zustande gekommene Vergleich sei dahin
auszulegen, dass die Verwirkung der Vertragsstrafe eine zurechenbare und
schuldhafte Weiterverwendung der Marke „W.            “ voraussetze. Das Ver-
schulden der Touristen-Information, die die Änderung nach den Angaben des
Zeugen S. versehentlich unberücksichtigt gelassen habe, müsse sich die Be-
klagte nicht gemäß § 278 BGB zurechnen lassen, weil die Touristen-Information
bei der Ausgestaltung des Teils „A-Z“ des Gastgeberverzeichnisses nicht mit
Wissen und Wollen der Beklagten tätig geworden und daher insoweit nicht ihre
Erfüllungsgehilfin gewesen sei. Das „Einpflegen“ der Informationen für diesen
Teil des Gastgeberverzeichnisses werde nach der Bekundung des Zeugen S.
nicht durch die Gewerbetreibenden veranlasst, sondern selbständig durch die
Touristen-Information. Da die dort vorgenommene Einstellung von Informatio-
nen ohne Wissen und Wollen der Beklagten erfolgt sei, habe diese insoweit
keine Verpflichtung gegenüber dem Kläger getroffen, zu deren Erfüllung sie
sich der Touristen-Information als Erfüllungsgehilfin bedient habe.

8          Selbst wenn die Touristen-Information auch in Bezug auf den Teil „A-Z“
Erfüllungsgehilfin der Beklagten gewesen wäre, wäre die Vertragsstrafe nicht
verwirkt, weil die Nichtumsetzung der von der Beklagten erteilten Anweisung im
Verhältnis zu deren Berücksichtigung im Übrigen ein entschuldbares kleineres
Versehen darstellte.

9          II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

10         1. Die vom Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der Ansicht des
Erstgerichts vorgenommene Beurteilung, die Verwirkung der in Rede stehenden
Vertragsstrafe habe ein zurechenbares und schuldhaftes Verhalten vorausge-
setzt, lässt keinen Rechtsfehler erkennen und wird auch von der Revision nicht
angegriffen.
-5-

11          2. Das Berufungsgericht hat auch mit Recht angenommen, dass die Tou-
risten-Information, soweit sie im Teil „A-Z“ des von ihr herausgegebenen Gast-
geberverzeichnisses 2008 den Begriff „W.       “ weiterhin zur Bezeichnung des
Betriebs der Beklagten verwendet hat, nicht als deren Erfüllungsgehilfin gehan-
delt hat.

12          a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass Erfül-
lungsgehilfe im Sinne des § 278 BGB jeder ist, der nach den tatsächlichen Ge-
gebenheiten des Falles mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung einer
diesem obliegenden Verbindlichkeit als seine Hilfsperson tätig wird (st. Rspr.;
vgl. nur BGH, Urteil vom 22. Januar 1998 – I ZR 18/96, GRUR 1998, 963, 964 f.
= WRP 1998, 864 – Verlagsverschulden II; Urteil vom 7. Dezember 2004
– VI ZR 212/03, BGHZ 161, 255, 259, jeweils mwN). Ebenso hat es mit Recht
angenommen, dass es für die Erfüllung der Unterlassungspflicht, die ein Ver-
tragsstrafeschuldner übernommen hat, unerlässlich ist, dass auch die Unter-
nehmen, die in seinem Auftrag für ihn Werbung betreiben, die von ihm zu unter-
lassende Handlung nicht begehen, so dass ein entsprechendes Verhalten un-
abhängig davon regelmäßig zugleich der Erfüllung der Unterlassungspflicht des
Schuldners dient, ob das jeweils beauftragte Werbeunternehmen diese Pflicht
kennt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 31. März 1988 – I ZR 40/86, GRUR
1988, 561, 562 = WRP 1988, 608 – Verlagsverschulden I; BGH, GRUR 1998,
963, 965 – Verlagsverschulden II, jeweils mwN).

13          b) Das Berufungsgericht ist des Weiteren zutreffend davon ausgegan-
gen, dass die Touristen-Information nach diesen Grundsätzen und unter Be-
rücksichtigung der Angaben, die der in erster Instanz vernommene Zeuge S.
gemacht hat, nicht als Erfüllungsgehilfin der Beklagten gehandelt hat, soweit sie
im Teil „A-Z“ des Gastgeberverzeichnisses 2008 in einer der Rubriken weiterhin
die Bezeichnung „W.        “ verwendet hat.

14          aa) Das Berufungsgericht hat aufgrund der Aussage des Zeugen S. an-
genommen, dass „das Einpflegen“ von Informationen im Teil „A-Z“ des Gastge-
berverzeichnisses durch die Touristen-Information erfolgt. Danach stellt sich die
Situation so dar, dass die entsprechenden Informationen von der Touristen-
Information unabhängig vom Willen des Gewerbetreibenden, auf dessen Leis-
tung hingewiesen wird, in den redaktionellen Teil dieses Verzeichnisses einge-
tragen werden. Dies geschieht nur insofern auf Veranlassung des Gewerbetrei-
benden, als die Touristen-Information sich dabei auf die Informationen stützt,
die sie der im Anzeigenteil geschalteten Werbeanzeige entnehmen kann. Die
Touristen-Information handelt danach insoweit selbständig und ist, da sie dabei
nicht dem Willen des Gewerbetreibenden folgt, nicht seine Erfüllungsgehilfin.
Abweichendes gilt nur dann, wenn der Gewerbetreibende auch hinsichtlich des
Teils „A-Z“ eine entsprechende Weisung erteilt, die von der Touristen-Infor-
mation nicht oder nicht zutreffend ausgeführt wird. Für eine solche Konstellati-
on, in der die Touristen-Information als Erfüllungsgehilfin des Gewerbetreiben-
den handeln würde, ist im Streitfall allerdings nichts ersichtlich.

15          bb) Die dargestellten Grundsätze gelten entsprechend in Fällen, in denen
der Gewerbetreibende einen bestehenden Anzeigenauftrag kündigt oder be-
stimmt, dass die für ihn durchgeführte Werbung in geänderter Form fortgesetzt
werden soll. In solchen Fällen wird die Entfernung oder Änderung von Angaben
im Teil „A-Z“ des Gastgeberverzeichnisses zwar vom Gewerbetreibenden ver-
anlasst; sie beruht aber nach den vom Zeugen S. dargestellten Verfahrensab-
läufen bei der Touristen-Information grundsätzlich nicht auf seinem Willen.

16         cc) Dass die Beklagte der Touristen-Information im Streitfall auch in Be-
zug auf die Änderung des Teils „A-Z“ des Gastgeberverzeichnisses 2008 die
Weisung erteilt hat, die Angabe „W.       “ durch die Angabe „Spa 7“ zu erset-
zen, ist vom Berufungsgericht nicht festgestellt worden, ohne dass die Revision
in dieser Hinsicht eine Rüge erhebt.

17         III. Danach ist die Revision des Klägers mit der Kostenfolge aus § 97
Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Bornkamm                               Pokrant                       Büscher

Schaffert                            Koch

Vorinstanzen:
AG Nordhorn, Entscheidung vom 21.01.2010 – 3 C 819/09 –
LG Osnabrück, Entscheidung vom 10.11.2010 – 1 S 90/10 –