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Die  Beklagte verbreitete unter dem Titel „Ex-RAF Terroristin H. radelt in den Freigang“ ein Bildnis, welches die Radelnde zeigte und
heimlich aufgenommen worden war.  Das Bildnis war zuvor auf  www.bild.de veröffentlicht und durch den RSS Feed der Inhaltsverantwortlichen verbreitet worden. Das Bildnis wurde nach einer einstweiligen Verfügung von www.bild.de entfernt.

Der BGH kam zu dem Ergebnis, dass zwar eine Beeinträchtigung der Persönlichkeitsrechte der Radlerin vorläge, ein Unterlassungsanspruch jedoch nicht bestanden habe, da  die Beklagte die  beanstandete Berichterstattung nicht selbst  verfasst und sie sich auch nicht zu eigen gemacht habe.  Sie hafte nicht als Störerin, da sie nach Kenntnisnahme der Rechtsverletzung das Bild entfernt habe.

 

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BGH

Urteil vom 27.3.2012

VI ZR 144/11

……
BGB §§ 823 Abs. 1 Ah, G, 1004 Abs. 1; KUG §§ 22, 23; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2
Abs. 1

a) Der Betreiber eines Informationsportals, der erkennbar fremde Nachrichten
anderer Medien (hier: RSS-Feeds) ins Internet stellt, ist grundsätzlich nicht
verpflichtet, die Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsver-
letzungen zu überprüfen. Er ist erst verantwortlich, sobald er Kenntnis von
der Rechtsverletzung erlangt.

b) Weist ein Betroffener den Betreiber eines solchen Informationsportals auf
eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch den Inhalt einer in das
Portal eingestellten Nachricht hin, kann der Betreiber des Portals als Störer
verpflichtet sein, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern.

BGH, Urteil vom 27. März 2012 – VI ZR 144/11 – LG Berlin
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. März 2012 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Wellner,
die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:

Die Revision der Kläger gegen das Urteil der 27. Zivilkammer des
Landgerichts Berlin vom 3. März 2011 wird auf ihre Kosten zu-
rückgewiesen.

Die Streithelferin hat ihre Kosten selbst zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

1         Die in Luxemburg ansässige Beklagte betreibt unter ihrer Internet-
Adresse ein deutschsprachiges Informationsportal. In diesem stellt sie Informa-
tionen aus Medien zur Verfügung, die sie über sogenannte RSS-Dienste be-
zieht. Diese versorgen ihre Abonnenten ähnlich einem Nachrichtenticker fort-
laufend mit kurzen Informationsblöcken, die aus einer Schlagzeile mit kurzem
Textanriss und einem Link zur Originalseite bestehen. Der Nutzer kann auf der
Internetseite der Beklagten auch Suchbegriffe eingeben und innerhalb des auf
dem Portal zur Verfügung stehenden Materials recherchieren.

2         Am 16. Oktober 2009 verbreitete die Beklagte unter dem Titel „Ex-RAF-
Terroristin H. radelt in den Freigang“ ein Bildnis, welches Frau H. zeigte und
heimlich aufgenommen worden war. Das Bild mit dem zugehörigen Artikel
stammte aus einem RSS-Feed der Streithelferin, der Inhaltsverantwortlichen für
die Website www.bild.de. Diese hatte das Bildnis und den dazugehörigen Arti-
kel bereits am 13. Oktober 2009 aus dem Netz genommen, nachdem die Klä-
ger, von Frau H. beauftragte Rechtsanwälte, eine entsprechende einstweilige
Verfügung erwirkt hatten.

3         Im Auftrag von Frau H. nahmen die Kläger auch die Beklagte auf Unter-
lassung in Anspruch. Diese entfernte daraufhin ebenfalls den Artikel, verweiger-
te aber die Zahlung der durch die Inanspruchnahme der Kläger entstandenen
Rechtsanwaltskosten, welche die Kläger aus abgetretenem Recht von Frau H.
im vorliegenden Rechtsstreit geltend machen.

4         Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Be-
rufung der Kläger hat das Landgericht zurückgewiesen. Es hat gegen sein Urteil
die Revision zugelassen, weil noch nicht höchstrichterlich geklärt sei, ob den
Betreiber eines Informationsportals, der abonnierte RSS-Feeds ungeprüft auf
seiner Internetseite veröffentlicht, die Pflicht treffe, in regelmäßigen Abständen
zu überprüfen, ob der RSS-Feed-Anbieter den RSS-Feed noch anbiete, und bei
Unterlassung dieser Pflicht deliktisch hafte.

Entscheidungsgründe:

I.

5         Das Berufungsgericht hat ebenso wie das erstinstanzliche Gericht eine
Haftung der Beklagten verneint. Diese habe sich die Veröffentlichung inhaltlich
nicht zu eigen gemacht, weil es sich bei der Darstellung der mittels RSS-Feed
bezogenen Nachrichten um einen automatisierten Prozess handele, bei dem
die Beklagte keine Einflussmöglichkeit auf den fremden Inhalt der veröffentlich-
ten Nachrichten habe. Auch unter dem Gesichtspunkt der verschuldensunab-
hängigen Störerhaftung ergebe sich keine Verantwortlichkeit der Beklagten,
weil sie keine Prüfungspflichten verletzt habe.

II.

6         Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.

7         1. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die in jedem
Verfahrensabschnitt, auch im Revisionsverfahren, von Amts wegen zu prüfen
ist (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 – VI ZR 93/10, VersR 2012, 114
Rn. 10 mwN, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen), ist gegeben. Denn die
in Luxemburg ansässige Beklagte hat sich rügelos auf das Verfahren eingelas-
sen (Art. 24 Satz 1 EuGVVO). Kraft Rechtswahl der Parteien ist deutsches
Recht anwendbar.

8         2. Für das Revisionsverfahren ist mit den Vorinstanzen davon auszuge-
hen, dass die über das Portal der Beklagten zugänglich gemachte Bildbericht-
erstattung unter dem Titel „Ex-RAF-Terroristin H. radelt in den Freigang“ das
Persönlichkeitsrecht von Frau H. beeinträchtigte. Das Berufungsgericht hat je-
doch mit Recht einen Unterlassungsanspruch von Frau H. gegen die Beklagte
aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 BGB, §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2
Abs. 1 GG, welcher Voraussetzung für den mit der Klage geltend gemachten
Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten wäre, verneint.

9          a) Das Berufungsgericht ist zunächst zutreffend mit dem Amtsgericht da-
von ausgegangen, dass die Haftungsbeschränkung des § 10 Satz 1 TMG nicht
für Unterlassungsansprüche gilt (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 27. März
2007 – VI ZR 101/06, VersR 2007, 1004 Rn. 7 – Meinungsforum; vom 30. Juni
2009 – VI ZR 210/08, VersR 2009, 1417 Rn. 17 – Domainverpächter; vom
25. Oktober 2011 – VI ZR 93/10, aaO Rn. 19; BGH, Urteile vom 19. April 2007
– I ZR 35/04, BGHZ 172, 119 Rn. 19 – Internet-Versteigerung II; vom 22. Juli
2010 – I ZR 139/08, GRUR 2011, 152 Rn. 26 – Kinderhochstühle im Internet).

10         b) Die Beklagte haftet nicht deshalb auf Unterlassung, weil sie durch die
beanstandete Berichterstattung selbst unzulässig in das Persönlichkeitsrecht
von Frau H. eingegriffen hätte. Denn die Beklagte hat die Meldung nicht selbst
verfasst und sie sich auch nicht zu eigen gemacht.

11         aa) Maßgeblich für die Frage, ob sich der Anbieter die auf seinem Inter-
netportal eingestellten Inhalte, die er nicht selbst geschaffen hat, zu eigen
macht, ist eine objektive Sicht auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller
relevanten Umstände, wobei insbesondere die Frage der inhaltlichen redaktio-
nellen Kontrolle der fremden Inhalte und die Art der Präsentation von Bedeu-
tung sind. Ein Zu-Eigen-Machen liegt regelmäßig vor, wenn die fremde Äuße-
rung so in den eigenen Gedankengang eingefügt wird, dass die gesamte Äuße-
rung als eigene erscheint. Auch lediglich undistanziert wiedergegebene Äuße-
rungen Dritter können dem Vertreiber zugerechnet werden, wenn er sie sich zu

Eigen gemacht hat. Ob dies der Fall ist, ist jedoch mit der im Interesse der Mei-
nungsfreiheit und zum Schutz der Presse gebotenen Zurückhaltung zu prüfen.
Schon aus der äußeren Form der Veröffentlichung kann sich ergeben, dass
lediglich eine fremde Äußerung ohne eigene Wertung oder Stellungnahme mit-
geteilt wird. Dies ist beispielsweise bei dem Abdruck einer Presseschau der Fall
(vgl. BVerfG NJW 2004, 590, 591; WM 2009, 1706, 1709; Senatsurteil vom
17. November 2009 – VI ZR 226/08, VersR 2010, 220 Rn. 11 mwN). Im Streitfall
liegt es vergleichbar.

12          bb) Nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellun-
gen des Amtsgerichts wird im Streitfall eine redaktionelle Kontrolle nicht durch-
geführt; vielmehr ist der beanstandete Feed automatisiert im Rahmen eines
bestehenden Abonnementvertrages zwischen der Beklagten und der Streithel-
ferin ungeprüft übernommen worden.

13          Die auf der Website der Beklagten dargestellten Inhalte sind auch als
fremd gekennzeichnet worden, indem sich direkt unter der Überschrift der Ver-
weis auf die Ursprungs- bzw. Zielseite – hier: „Bild.de“ – befindet. Dadurch wird
dem Leser hinreichend deutlich gemacht, dass es sich bei dem Artikel nicht um
eine eigene Berichterstattung der Beklagten, sondern um eine fremde Nachricht
– hier: der Streithelferin – handelt.

14          Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte als Betreiberin des Informations-
portals eine inhaltliche Verantwortung für die veröffentlichten Nachrichten Dritter
übernehmen wollte, finden sich nicht. Die Internetseite der Beklagten war nach
den unangegriffenen Feststellungen der Vorinstanzen als Informationsportal
ausgestaltet, welches keine eigenen Inhalte enthielt, sondern mit Hilfe soge-
nannter RSS-Feeds Schlagzeilen aus Medien und Blogs wiedergab und jeweils
einen Link zu dem entsprechenden Ursprungsartikel bereit hielt. In dem Im-
pressum wies die Beklagte insofern unter anderem darauf hin, dass „alle Artikel
und grafischen Elemente, so wie sie sind, … weiterverbreitet werden“.

15         Unter diesen Umständen reicht entgegen der Auffassung der Revision
im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung allein die Tatsache, dass die
Beklagte die Medien, von denen sie mittels eines Abonnementvertrages die
RSS-Feeds bezog, vorausgewählt hatte, nicht aus, um einen Unterlassungsan-
spruch gegen die Beklagte unter dem Gesichtspunkt des „Zu-Eigen-Machens“
zu begründen.

16         c) Die Beklagte haftet auch nicht deshalb auf Unterlassung, weil sie die
beanstandete Meldung auf ihrem Informationsportal zum Abruf bereitgestellt
und dadurch verbreitet hat. Das Berufungsgericht hat unter diesem Gesichts-
punkt eine Haftung der Beklagten als Störer mit Recht verneint.

17         aa) Unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Störerhaftung ist verpflich-
tet, wer, ohne Täter oder Teilnehmer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich
und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsguts beiträgt (vgl. Senats-
urteile vom 25. Oktober 2011 – VI ZR 93/10, aaO; vom 30. Juni 2009 – VI ZR
210/08, aaO Rn. 13 f. – Domainverpächter, jeweils mwN). Diese Voraussetzun-
gen könnten bei der Beklagten erfüllt sein. Denn sie betrieb ein Informationspor-
tal, stellte dort RSS-Feeds für die Nutzer bereit und ermöglichte deren Abruf
über das Internet. Dadurch trug sie willentlich und adäquat kausal zur Verbrei-
tung der hier zu prüfenden (Bild-) Berichterstattung bei, die das allgemeine Per-
sönlichkeitsrecht von Frau H. beeinträchtigen konnte.

18         bb) Die Störerhaftung in der Form der Verbreiterhaftung darf jedoch nicht
über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, welche die rechtswidrige Beeinträchti-
gung nicht selbst vorgenommen haben. Denn zu dem von Art. 5 Abs. 1 Satz 1
GG geschützten Kommunikationsprozess kann die Mitteilung einer fremden
Meinung oder Tatsachenbehauptung auch dann zählen, wenn der Mitteilende
sich diese weder zu Eigen macht noch sie in eine eigene Stellungnahme ein-
bindet, sondern die fremde Äußerung lediglich verbreitet (vgl. Senatsurteil vom
17. November 2009 – VI ZR 226/08, VersR 2010, 220 Rn. 13 mwN; BVerfGE
85, 1, 22; BVerfG, WM 2009, 1706). Eine Haftung des Verbreiters fremder
Nachrichten als Störer setzt deshalb die Verletzung zumutbarer Verhaltens-
pflichten, insbesondere von Prüfungspflichten, voraus; deren Umfang bestimmt
sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach
den jeweiligen Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung seiner Funk-
tion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjeni-
gen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen
hat, eine Prüfung zuzumuten ist (vgl. Senatsurteile vom 25. Oktober 2011
– VI ZR 93/10, aaO Rn. 22 und vom 30. Juni 2009 – VI ZR 210/08, aaO Rn. 18
– Domainverpächter, jeweils mwN).

19         cc) Der Betreiber eines Informationsportals, der wie die Beklagte erkenn-
bar fremde Nachrichten anderer Medien und Blogs ins Internet stellt, ist danach
grundsätzlich nicht verpflichtet, die Beiträge vor der Veröffentlichung auf even-
tuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Das würde den Betrieb des dem In-
formationsinteresse der Mediennutzer dienenden, auf schnelle und aktuelle In-
formation ausgerichteten Informationsportals unzuträglich hemmen. Den Be-
treiber eines Informationsportals trifft deshalb erst dann eine Prüfpflicht, wenn
er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt. Weist ein Betroffener den Betrei-
ber eines Informationsportals auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts
durch den Inhalt einer in das Portal eingestellten Nachricht hin, kann der Betrei-
ber des Portals als Störer verpflichtet sein, zukünftig derartige Verletzungen zu
verhindern (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 – VI ZR 93/10, aaO Rn. 24
– Hostprovider   und   vom    30. Juni   2009   – VI ZR   210/08,   aaO    Rn. 27
– Domainverpächter).

20           dd) Im Streitfall hat die Beklagte, nachdem sie von den Klägern auf die
Verletzung des Persönlichkeitsrechts ihrer Mandantin durch die Streithelferin
hingewiesen worden ist, die beanstandete Berichterstattung aus ihrem Angebot
genommen. Infolgedessen ist sie nicht zur Störerin geworden und war auch
keinem Unterlassungsanspruch ausgesetzt.

21           Soweit die Revision meint, die Beklagte habe es im Rahmen ihrer Prü-
fungspflichten versäumt, durch eine vertragliche Vereinbarung mit den RSS-
Anbietern Vorsorge zu treffen, dass sie informiert werde, wenn ein bezogener
RSS-Feed wegen einer geltend gemachten Rechtsverletzung aus dem Netz
genommen worden ist, zeigt sie diesbezüglich keinen übergangenen instanzge-
richtlichen Sachvortrag der Kläger auf.

Galke                               Wellner                       Diederichsen

Pauge                             Stöhr

Vorinstanzen:
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg, Entscheidung vom 02.11.2010 – 3 C 153/10 –
LG Berlin, Entscheidung vom 03.03.2011 – 27 S 23/10 –