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Das Wortzeichen „pjur“, bekannt als Marke für Gleitmittel, ist seit 2003 eingetragen. 2009 stellte ein Dritter, wohl ein Konkurrent, einen Antrag auf Löschung der Marke  gemäß § 50 Abs. 1 MarkenG, da  sie entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 10 MarkenG eingetragen worden sei. Antragsberechtigt ist jedermann.

Das DPMA hat dem Antrag nicht entsprochen; die Entscheidung wurde aktuell vom BPatG bestätigt.  Interessant ist insoweit, dass die Antragsstellerin die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, da das Verfahren mutwillig eingeleitet wurde.

„Da die Antragstellerin in einer nach anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten aussichtslosen Situation versucht hat,
ihr Interesse an der Löschung der angegriffenen Marke durchzusetzen, waren ihr die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG).

 

 

 

 

 

28 W (pat) 52/10
_______________________

(Aktenzeichen)

BESCHLUSS

In der Beschwerdesache

BPatG 152
08.05

betreffend die Marke 303 40 797
(hier: Löschungsverfahren S 30/09)

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
6. Mai 2011 durch die Vorsitzende Richterin Klante, die Richterin Martens und den
Richter Schell

beschlossen:

1. Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

2. Der Antragstellerin werden die Kosten des Beschwerdever
fahrens auferlegt.

Gründe

I.

Die am 11. August 2003 angemeldete Wortmarke

pjur

ist am 27. Oktober 2003 für die nachfolgend aufgeführten Waren der Klassen 3, 5
und 10

,,Körperpflege- und Kosmetikprodukte, soweit in Klasse 3 ent-
halten; Massage-Fluids, Aphrodisiaka, potenzsteigernde Präpa-
rate zur äußerlichen und innerlichen Anwendung, Massage-Öle,
Orgasmus-Cremes, Aktverlängerungspräparate, nicht für medizi-
nische Zwecke; Parfümeriewaren; ätherische Öle; Haarwässer;
Gleitmittel, Gleitcremes und -gels, vorgenannte Waren nicht für
medizinische Zwecke; pharmazeutische Produkte; medizinische
Sexualhilfsmittel, soweit in Klasse 5 enthalten; Massage-Fluids,
Gleitmittel, Aphrodisiaka, potenzsteigernde Präparate zur äußer-
lichen und innerlichen Anwendung, Massage-Öle, Gleitcremes
und -gels, Orgasmus-Cremes, Aktverlängerungspräparate, für
medizinische Zwecke; hygienische Gummiwaren, Kondome;
ärztliche Instrumente und Apparate, gesundheitliche Instrumente
und Apparate, soweit in Klasse 10 enthalten, künstliche Glied-
maßen; Massagegeräte, Vibratoren (zum persönlichen Gebrauch),
Dildos; sexualpartnerschaftliche Hilfsmittel, insbesondere Klistier-
geräte, Potenzpumpen und -ringe; erektions- und orgasmus-
fördernde Artikel zur unmittelbaren Anwendung am menschlichen
Körper (soweit in Klasse 10 enthalten), einschließlich Nach-
bildungen von menschlichen Körperteilen; Hilfsmittel für die sexu-
elle Stimulanz, soweit in Klasse 10 enthalten“

unter der Nummer 303 40 797 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt
geführte Markenregister eingetragen worden.

Die Antragstellerin hat die Löschung der Marke gemäß § 50 Abs. 1 MarkenG mit
der Begründung beantragt, sie sei entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 10 MarkenG
eingetragen worden. Die Antragsgegnerinnen haben der Löschung fristgemäß
widersprochen.

Die Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den
Löschungsantrag zurückgewiesen und der Antragstellerin die Kosten des Ver-
fahrens auferlegt. Das angegriffene Zeichen sei unterscheidungskräftig sowie
nicht beschreibend. Für eine bösgläubig erfolgte Anmeldung der Marke gebe es
ebenfalls keine konkreten Anhaltspunkte. Der Umstand, dass im vorliegenden Fall
eine Bezeichnung angemeldet worden sei, die sich an eine beschreibende

Angabe anlehne, könne für sich genommen nicht als rechtsmissbräuchlich bzw.
als bösgläubig angesehen werden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Zur Begründung trägt
sie vor, entgegen der Wertung der Markenabteilung müsse im vorliegenden Fall
von einer bösgläubigen Anmeldung der angegriffenen Marke ausgegangen
werden. Zwar sei das Markenwort ,,pjur“ nicht beschreibend, die Markenin-
haberinnen hätten die schutzfähige Abwandlung des beschreibenden Sachbegriffs
,,pure“ jedoch gezielt dazu angemeldet, um gegen die weitere Verwendung dieses
Sachbegriffes durch die Mitbewerber vorzugehen. Ein solcher Einsatz von Marken
sei sittenwidrig, da das an sich rechtmäßig erworbene Markenrecht rechts-
missbräuchlich eingesetzt werde. Dies verdeutliche auch die Gesetzesbegründung
zu § 23 MarkenG, nach der die Registrierung von Marken, die an beschreibende
Sachbegriffe angelehnt seien, grundsätzlich kein Recht vermitteln solle, die Be-
nutzung der beschreibenden Angabe selbst zu untersagen.

Die Löschungsantragstellerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent-
und Markenamtes vom 12. Februar 2010 aufzuheben und die
Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Die Markeninhaberinnen beantragen sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen und der Antragstellerin die
Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, die Markenabteilung habe die
Schutzfähigkeit der Marke zu Recht bejaht. Auch von einer bösgläubigen An-
meldung könne im vorliegenden Fall keine Rede sein, zumal sich die
-5-

Antragstellerin in diesem Zusammenhang nicht auf die Regelung des § 23
MarkenG berufen könne.

Nach Zustellung der Terminsladung haben beide Parteien übereinstimmend
beantragt, über die Beschwerde im schriftlichen Verfahren zu entscheiden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Es liegen keine Löschungsgründe
nach § 50 Abs. 1 MarkenG vor, wie dies die Markenabteilung zutreffend fest-
gestellt hat.

So handelt es sich bei der angegriffenen Marke weder um eine beschreibende
Angabe i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG noch fehlt dem Markenwort ,,pjur“
jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Zwar lehnt sich
die Marke ersichtlich an den klanglich identischen, englischsprachigen Sachbegriff
,,pure“ an, dem für etliche der hier verfahrensgegenständlichen Waren ein be-
schreibender Bedeutungsgehalt zukommt. Dieser Gesichtspunkt stellt die Schutz-
fähigkeit der Marke jedoch nicht in Frage, wie dies auch die Antragstellerin im
Beschwerdeverfahren eingeräumt hat. Entgegen ihrer Auffassung ist aber auch
ein Löschungsgrund nach § 50 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 10
MarkenG nicht gegeben.

Nach § 50 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG ist eine Mar-
keneintragung zu löschen, wenn der Anmelder bei der Anmeldung der Marke
bösgläubig gehandelt hat (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker, Markengesetz,
9. Aufl., § 8 Rdn. 532, m. w. N.). Die Absicht des Anmelders im maßgeblichen
Zeitpunkt ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung als subjektives Tat-
bestandsmerkmal zu verstehen, das anhand der objektiven Fallumstände be-
stimmt werden muss (vgl. EuGH Mitt. 2009, S. 329, 332, Rdn. 42 ­ Goldhase). Da
es für die Beurteilung der Bösgläubigkeit somit auf zeitlich zurückliegende,
subjektive Aspekte ankommt, lassen sich die hierfür notwendigen Feststellungen
entsprechend schwer treffen. Entscheidend ist insoweit darauf abzustellen, welche
Zielsetzungen sich nach dem Anmelde- bzw. dem Eintragungszeitpunkt auf Seiten
des Anmelders manifestiert haben. Hat er die Ausschließlichkeitsrechte der Marke
im Hinblick auf ihre Herkunftsfunktion und im Zusammenhang mit schutzwürdigen,
wirtschaftlichen Eigeninteressen geltend gemacht, oder erscheint sein Vorgehen
aus der Marke mit den allgemeinen kaufmännischen Gepflogenheiten unver-
einbar, sondern vornehmlich auf eine rechtsmissbräuchliche Behinderung Dritter
ausgerichtet (vgl. hierzu BPatG Mitt. 2010, 31, 33 ­ Käse in Blütenform III).
Letzteres kann allerdings nicht schon dann angenommen werden, wenn dem
Anmelder zum Anmeldezeitpunkt bekannt war, dass ein Dritter ein klanglich
ähnliches oder sogar identisches Zeichen für gleiche oder verwechselbar ähnliche
Waren benutzt. Um eine Markenanmeldung als sittenwidrig i. S. v. § 8 Abs. 2
Nr. 10 MarkenG erscheinen zu lassen, müssen vielmehr immer noch zusätzliche
Umstände feststellbar sein, die erkennen lassen, dass es dem Anmelder vorn-
herein darum ging, die Marke zweckfremd als Mittel des Wettbewerbs einzusetzen
(vgl. BGH GRUR 2005, 414, 417 ­ Russisches Schaumgebäck; sowie Ströbele
a. a. O., § 8 Rdn. 558 m. w. N.). Die Antragstellerin hat eine solche Fallgestaltung
nicht belegen können und auch der Senat konnte ebenso wie die Markenabteilung
keine entsprechenden Feststellungen treffen. Nach §§ 54, 50 Abs. 1 MarkenG darf
die Löschung einer Marke jedoch nur aufgrund der eindeutigen Feststellung der
hierfür gesetzlich vorgesehenen Gründe erfolgen. Verbleiben insoweit Zweifel,
gehen diese zu Lasten der Antragstellerin, die gerade im Löschungsverfahren
wegen Bösgläubigkeit eine besondere Mitwirkungspflicht zu einem substantiierten
Sachvortrag trifft.

Im vorliegenden Fall stützt die Antragstellerin ihren Löschungsantrag im We-
sentlichen auf die Ansicht, die angegriffene Marke dürfe nicht dazu eingesetzt
werden, die Verwendung von beschreibenden und damit für die Mitbewerber
freihaltebedürftigen Angaben zu untersagen. Damit bezieht sich ihr Vortrag aber
ersichtlich nicht auf einen Löschungsgrund i. S. v. § 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2
Nr. 10 MarkenG, sondern auf die Abwehr möglicher markenrechtlicher Ver-
letzungsansprüche aus der angegriffenen Marke. Der Umstand, dass der
Schutzumfang der angegriffenen Marke aufgrund ihrer klanglichen Identität mit der
produktbeschreibenden Angabe ,,pure“ strikten Beschränkungen unterliegen muss,
so dass sich ihr Schutzumfang in der Praxis gerade nicht auf die Sachangabe
,,pure“ bzw. auf andere Zeichen erstrecken kann, die sich in gleicher oder
ähnlicher Weise an diese Sachangabe anlehnen (stRspr., vgl. BGH, GRUR 2008,
803, Rdn. 22 ­ HEITEC/HAITEC; BGH, GRUR 2003, 963, 965 ­ AntiVir/AntiVirus),
rechtfertigt nicht die beantragte Löschung der Marke. Für das vorliegende Lö-
schungsverfahren ist es zudem ohne Relevanz, ob bzw. in welchem Umfang die
Markeninhaberinnen in Verletzungsprozessen bereits gegen die Antragstellerin
obsiegt haben. Auch die Regelung des § 23 Nr. 2 MarkenG ist hier nicht ein-
schlägig, da es im Löschungsverfahren ausschließlich um die Frage der
Schutzfähigkeit einer angegriffenen Marke geht. Dagegen ist die Verteidigungs-
möglichkeit des § 23 Nr. 2 MarkenG nur im Rahmen eines Zivilprozesses eröffnet,
um die Rechte eines Markeninhabers im Verletzungsverfahren angemessen
einzuschränken (vgl. hierzu nochmals Ströbele, a. a. O, § 8 Rdn. 230).

Bei objektiver Würdigung aller Umstände des vorliegenden Falles liegen somit
keine belastbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass die Markenanmeldung nicht in
erster Linie zur Förderung der eigenen wirtschaftlichen Betätigung der Mar-
keninhaberinnen, sondern zur unlauteren Behinderung Dritter dienen sollte (vgl.
hierzu EuGH Mitt. 2009, S. 329, Rdn. 37 ­ Goldhase; BGH GRUR 2008, 917,
Rdn. 20 ­ Eros). Dass die Markeninhaberinnen aus ihren legitim erworbenen
Markenrechten gegen Dritte vorgehen, liegt in der Natur des Markenrechts und ist
letztlich die Motivation jedes Markenerwerbs, weshalb dieser Gesichtspunkt allein
für sich genommen keinesfalls als Indiz für unlautere Absichten gewertet werden
kann.
Die Beschwerde war daher zurückzuweisen. Da die Antragstellerin in einer nach
anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten aussichtslosen Situation versucht hat,
ihr Interesse an der Löschung der angegriffenen Marke durchzusetzen, waren ihr
die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG).
Indem sie Löschungsantrag gegen die angegriffene Marke gestellt und das
Verfahren bis in die Beschwerdeinstanz weitergeführt hat, ohne substantiierte
Löschungsgründe anführen zu können, war die Einlegung der Beschwerde nicht
mit der erforderlichen prozessualen Sorgfalt zu vereinbaren. Dies rechtfertigt ein
Abweichen von dem Grundsatz, dass in markenrechtlichen Verfahren jeder
Verfahrensbeteiligte seine Kosten in der Regel selbst zu tragen hat (vgl. hierzu
Knoll in Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 71 Rdn. 11 m. w. N.).

Klante                             Martens                                 Schell

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