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OLG Hamburg, Urteil vom 28.10.2005 (11 U 169/04) Agenturvertrag und Handelsvertreterrecht

OLG Hamburg · Urteil vom 28. Oktober 2005 · Az. 11 U 169/04

 
Tenor Die Berufung der Beklagten gegen das Teil-Urteil des Landgerichts Hamburg (Az.: 309 O 384/02) vom 24. Juni 2004 wird zurückgewiesen.Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf EUR 403.932,06 festgesetzt.

Gründe

Gemäß § 540 Abs. 1 ZPO wird anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil des Landgerichts Bezug genommen und zu den Tatsachengrundlagen dieses Berufungsurteils sowie zu den Gründen für die Zurückweisung der Berufung folgendes ausgeführt:

I.

Der Kläger – Werbefotograf – schloss im März 1996 mit Frau B. (jetzt: A.), der geschäftsführenden Gesellschafterin der Beklagten, einen sog. Agenturvertrag, der die Vermittlung von Verträgen über fotografische Leistungen zum Gegenstand hatte (Anlage B 1). Nach den §§ 4, 5 war Frau B. berechtigt, das Gesamthonorar unmittelbar gegenüber dem Dritten abzurechnen und die Vergütung nach Abzug eines Honorars von 25% an den Kläger auszuzahlen. Im Wege der nach dem Umwandlungsgesetz vorgesehenen Gesamtrechtsnachfolge ist der Vertrag im Dezember 2000 auf die Beklagte übergegangen.

Der Vertrag ist vom Kläger am 18. Juni 2002 fristgemäß zum 30. September 2002 gekündigt worden (Anlage B 3).

Der Kläger begehrt die Auskehrung von für ihn vereinnahmten Geldern, die Beklagte macht widerklagend eine Handelsvertreterabfindung gemäß § 89 b HGB geltend. Das Landgericht hat durch Teilurteil der Zahlungsklage zum größten Teil stattgegeben. Die Widerklage hat es mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte sei nicht als Handelsvertreterin für den Kläger tätig geworden. Schon nach ihrer eigenen Tätigkeitsbeschreibung sei die Beklagte nur als neutrale Vermittlerin zwischen den von ihr betreuten Fotografen und den Vertragspartnern anzusehen. Es sei ihre Aufgabe, für die jeweiligen Fotoprojekte einen Vorschlag zu machen, welcher der von ihr betreuten Fotografen am besten für die geplanten Aufnahmen geeignet sei. Ein Handelsvertreter habe sich hingegen allein um den Abschluss von Geschäften für seinen Auftraggeber zu bemühen.

Mit ihrer Berufung hat die Beklagte zunächst begehrt, unter Abänderung des landgerichtlichen Teilurteils die Klage hinsichtlich des ausgeurteilten Betrages in Höhe von EUR 252.101,06 abzuweisen und ihrem Widerklagantrag in vollem Umfang stattzugeben.

In der mündlichen Verhandlung vom 23. September 2005 hat die Beklagte ihre Berufung gegen das Teilurteil des Landgerichts insoweit zurückgenommen, als sie zur Zahlung von EUR 252.101,06 nebst Zinsen verurteilt worden ist. Gleichzeitig haben die Parteien den noch beim Landgericht anhängigen Teil des Rechtsstreits in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Beklagte macht mit ihrer Berufung geltend, dass die Vertretung weiterer Fotografen die Handelsvertretereigenschaft nicht ausschließe. Denn jeder der von ihr vertretenen Fotografen habe seine eigene Handschrift, so dass fraglich sei, ob diese überhaupt zueinander im Wettbewerb stünden. Im Übrigen setze das auch für den Kläger wertvolle Netzwerk der Beklagten voraus, dass sie neben dem Kläger weitere Fotografen vertrete. Die Geschäftstätigkeit der Beklagten setze gerade den Vertrieb verschiedener Konkurrenzprodukte voraus. Außerdem wirke sich ein Verstoß gegen die Interessenwahrnehmungspflicht nicht auf den Tatbestand des §84 HGB aus, sondern löse allenfalls Sekundäransprüche gemäß § 86 HGB aus. Ihre Arbeit gehe auch über bloße Werbemaßnahmen hinaus, da sie die Leistungen des Klägers immer wieder beworben und angeboten habe. Hierin sei eine Vermittlungstätigkeit zu sehen.

Die Beklagte beantragt,

den Kläger unter Abänderung des Teilurteils des Landgerichts Hamburg vom 24. Juni 2004 auf die Widerklage hin zu verurteilen, an die Beklagte EUR 151.831,00 zzgl. Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz p.a. seit Rechtshängigkeit der Widerklage zu zahlen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger macht geltend, die Beklagte sei lediglich Repräsentantin gewesen sei; als solche habe sie stets auch die Interessen der Kunden, d.h. der Vertragspartner des Klägers, im Auge haben müssen. Bei der Management- und Promotionstätigkeit handele es sich um einen Dienstleistungsvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter; der Vertrag sei dem Bereich des Maklervertrages zuzuordnen.

Beide Parteien haben Rechtsgutachten vorgelegt, die ihren jeweiligen Standpunkt stützen (Anlagen K 53 , B 41).

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Beklagten steht ein Anspruch auf Zahlung eines Ausgleichs gemäß § 89 b HGB schon dem Grunde nach nicht zu. Zu Recht hat das Landgericht ausgeführt, dass die Beklagte nicht als Handelsvertreterin für den Kläger tätig geworden ist.

1. Handelsvertreter ist nach § 84 Abs.1 S.1 HGF, wer ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Für den Handelsvertretervertrag ist eine andauernde, interessenfördernde und -wahrende Verpflichtung zum Tätigwerden wesentlich (§ 86 Abs.1 HGB).

Die Beklagte hat sich in § 1 Abs.2 des mit dem Kläger geschlossenen Agenturvertrages verpflichtet, zum Zwecke der Vermittlung von Aufträgen dessen fotografischen Leistungen im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit Dritten anzubieten, zu bewerben und in besonderen Aktionen allein oder gemeinsam mit anderen herauszustellen. In der Praxis gestaltete sich die Vertragsdurchführung derart, dass die Beklagte fortlaufend Akquisitionstätigkeiten für den Kläger entfaltete. Sie erstellte Werbematerial unter Einbeziehung der Arbeiten des Klägers und verteilte diese insbesondere an Werbeagenturen. Interessierte Werbeagenturen nahmen Kontakt mit der Beklagten auf und erläuterten das von ihnen geplante Projekt. Aufgabe der Beklagten war es sodann, für dieses Objekt aus dem Kreis der von ihr vertretenen Fotografen die geeignet erscheinenden vorzuschlagen. Soweit die Werbeagentur mit einem der Vorschläge einverstanden war, schloss die Beklagte für den betreffenden Fotografen einen Vertrag mit dem Auftraggeber ab.

2. Der Senat ist der Auffassung, dass das vorliegende Rechtsverhältnis zwischen Fotograf und Repräsentantin über seine Einordnung als Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter hinaus (vgl. hierzu BGH NJW 1983, 1191; BGH NJW-RR 1993, 505) nicht die besonderen weiteren Voraussetzungen eines Handelsvertretervertrages nach §§ 84 ff HGB erfüllt.

a) Es ist schon fraglich, ob der Kläger als Unternehmer im Sinne des § 84 Abs.1 HGB angesehen werden kann. Zwar entspricht es allgemeiner Meinung, dass der Begriff des Unternehmers weit auszulegen sei und jeden Gewerbetreibenden umfasse (vgl. etwa BGH MDR 1982, 545); darüber hinaus wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, dass auch freiberuflich Tätige wie etwa Schriftsteller oder ausübende Künstler Unternehmer im Sinne des § 84 Abs.1 HGB sein können (vgl. etwa Baumbach/Hopt, HGB, 31. Auflage § 84 Rdn.27). Die Erstreckung auf Künstler erscheint allerdings vor dem Hintergrund des gesetzlichen Leitbildes des Handelsvertretervertrages problematisch. Nach dem historischen Verständnis ist der Handelsvertreter Absatzmittler in der Absatzkette von vertretbaren Waren zwischen Produzent und Verbraucher, welche im Wege der Massenherstellung gefertigt worden sind. Aus dem Umstand der durch die Novelle 1953 erfolgten Erstreckung des Anwendungsbereichs auch auf Nichtkaufleute kann nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass der Gesetzgeber grundsätzlich von diesem Verständnis abweichen wollte, da es das Anliegen der Novelle war, auch den An- und Verkauf von Immobilien zu erfassen (vgl. BT-Drucksache I Nr. 3856 vom 15.11.1952, S.15). Im Ergebnis kann die Frage der Anwendbarkeit des Unternehmerbegriffs auf Künstler (ablehnend Kassung, AfP 2004, 89 auch unter Hinweis auf die EG-Handelsvertreterrichtlinie von 1986) dahin stehen.

b) Es liegt nämlich jedenfalls kein Fall der ständigen Betrauung mit der Vermittlung von Geschäften vor. Die Betrauung im Sinne des § 84 Abs.1 HGB bedeutet neben der auch für das Geschäftsbesorgungsverhältnis geltenden allgemeinen Tätigkeitspflicht, dass der Unternehmer dem Handelsvertreter die Wahrnehmung seiner Interessen anvertraut (vgl. etwa Baumbach/Hopt, a.a.O., § 84 Rdn.41). Die allgemeine Interessenwahrnehmungspflicht des Handelsvertreters für den Unternehmer (vgl. § 86 Abs.1 2. HS HGB) ist damit zwingende Voraussetzung für die Annahme eines Handelsvertretervertrages und gleichzeitig ein wesentliches Abgrenzungsmerkmal zu Dienstverträgen mit Geschäftsbesorgungscharakter.

Der Bundesgerichtshof hat wiederholt anhand von Indizien entschieden, ob ein Fall des ständigen Betrautseins oder der bloßen allgemeinen Tätigkeitspflicht vorliegt. Dabei könne etwa die Tätigkeit für Konkurrenzunternehmen, die Weisungsunabhängigkeit oder die Begrenzung der Vermittlungstätigkeit auf ein Objekt gegen eine Handelsvertretertätigkeit sprechen (vgl. etwa BGH NJW 1992, 2818).

Nach diesen Hilfskriterien und den weiteren Besonderheiten des vorliegenden Falls geht der Senat davon aus, dass die Beklagte nicht ständig mit der Vermittlung von Geschäften betraut war.

Für diesen Standpunkt spricht zunächst, dass die Beklagte nicht nur für den Kläger, sondern für eine Vielzahl von sog. Fotodesignern tätig geworden ist. Wenngleich das aus der allgemeinen Interessenwahrungspflicht resultierende Wettbewerbsverbot zwischen den Parteien abbedungen werden kann und vorliegend jedenfalls von einer konkludenten Zustimmung des Klägers zur Konkurrenzvertretung auszugehen ist, spricht der Umstand der Vermittlung von Geschäften für mehrere konkurrierende Unternehmen indiziell eher gegen die Annahme eines Handelsvertretervertrages. Bei dieser Wertung verkennt der Senat nicht, dass sich das aus § 86 HGB ergebende Wettbewerbsverbot nicht wesensbestimmend für Handelsvertreterverhältnisse ist (vgl. BGHZ 97, 317; BGH RWP 1990, 1198).

Darüber hinaus ist von Bedeutung, dass die Beklagte nach dem geschlossenen Agenturvertrag keinerlei Weisungen unterlegen war. Wenngleich ein Handelsvertreter ein selbständiger Gewerbetreibender ist, sind Weisungen des Unternehmers für den Handelsvertreter normal und sogar essentiell. Der Handelsvertreter ist nämlich typischerweise in den Vertrieb des Unternehmers eingeschaltet, nimmt dessen Interessen wahr und ist ihm laufend berichtspflichtig (vgl. § 86 Abs.2 HGB). Eine solche Situation ist vorliegend in keiner Weise gegeben. Vielmehr war die Beklagte wie der Makler bei einem Maklerdienstauftrag gänzlich weisungsunabhängig.

Von entscheidendem Gewicht ist nach Auffassung des Senats, dass die Beklagte nach der oben unter 1. dargestellten Vertragspraxis keine interessenwahrende Vermittlung von Geschäften schuldete, sondern lediglich eine neutrale Vermittlertätigkeit. Denn – und darauf hat das Landgericht bei seiner Entscheidung zu Recht abgestellt – die Tätigkeit der Beklagten hat sich zunächst darauf beschränkt, sämtliche von ihr vertretenen Fotografen im Internet und direkt gegenüber den einzelnen Werbeagenturen zu bewerben. Gezielte Werbung für eine Leistung des Klägers erfolgte nicht. Dementsprechend haben die Kunden es grundsätzlich der Beklagten überlassen, einen von ihr für geeignet gehaltenen Fotografen auszusuchen. Insoweit hat die Beklagte nicht einseitig die Interessen des Klägers wahrgenommen, sondern sie hat – wie ein Makler – eine Doppeltätigkeit entwickelt. Der Annahme einer bloß neutralen Vermittlertätigkeit steht nicht entgegen, dass es im Verlaufe des Vertragsverhältnisses dazu gekommen sein mag, dass der Kläger von einzelnen Kunden wegen seines wachsenden Bekanntheitsgrades direkt „ausgesucht“ worden ist. Denn für die rechtliche Einordnung des Vertrages können nur die bei Beginn von den Vertragsparteien zugrunde gelegten tatsächlichen Verhältnisse ausschlaggebend sein.

Allein der Umstand, dass der Agenturvertrag auf einige Zeit angelegt war und Gegenstand der Vermittlung nicht bloß ein Objekt, sondern ein Vielzahl von Fotoaufträgen gewesen ist, rechtfertigt nicht die Annahme, zwischen den Parteien sei es zum Abschluss eines Handelsvertretervertrages gekommen.

Nach § 2 des Agenturvertrages steht der Beklagten ein alleiniges Vermittlungsrecht zu. Im Falle eines solchen Alleinauftrages – der typischerweise auch einem Makler erteilt werden kann – kann aus der Tatsache, dass die Parteien ein Kündigungsrecht (nur) zum Ende des Vertragsjahres vereinbart haben (§ 7 des Agenturvertrages), nicht auf das Vorliegen einer Handelsvertretereigenschaft geschlossen werden. Denn eine Bindung über einen längeren Zeitraum gibt es typischerweise beim Maklervertrag mit Alleinauftrag ebenfalls. Etwas Gegenteiliges kann im vorliegenden Fall auch nicht aus der Regelung des § 93 HGB geschlossen werden, wonach ein Handelsmakler – im Gegensatz zum Handelsvertreter -nicht ständig damit betraut ist, Verträge zu vermitteln. Denn die Beklagte kann ohnehin keine Handelsmaklerin sein, egal ob sie nur gelegentlich oder ständig mit der Vermittlung von Verträgen beauftragt ist. Sie vermittelt nämlich keine Verträge über „Gegenstände des Handelsverkehrs“ im Sinne des § 93 HGB.

Auch die Tatsache, dass die Beklagte eine Vielzahl von Fotoaufträgen vermitteln sollte, spricht nicht entscheidend für das Vorliegen einer Handelsvertretereigenschaft. Denn es handelt sich bei dem Gegenstand der Vermittlung weder um eine massenhaft hergestellte noch um eine bei der Vermittlung bereits vorhandene „produzierte“ Ware. Gegenstand der Vermittlung war – und dies macht auch die Beklagte wiederholt geltend – der Kläger und dessen besondere „Handschrift“ als Fotodesigner. Wenn aber zum Zeitpunkt der Vermittlung die vertraglich geschuldete Leistung noch nicht erstellt ist, so kann allein dem Umstand, dass die Beklagte wiederholt fotografischen Leistungen vermitteln sollte, keine erhebliche Bedeutung für die Frage des Vorliegens einer Handelsvertretereigenschaft zukommen.

In der Gesamtschau ist der Senat der Auffassung, dass es an einem ständigen Betrautsein im Sinne des § 84 Abs.1 HGB fehlt, so dass die Beklagte mangels Handelsvertretereigenschaft keine Ausgleichsansprüche geltend machen kann.

Mithin war die Berufung zurückzuweisen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs.1, 516 Abs.3, 708 Nr.10 ZPO.

Die Revision war im Hinblick auf die Frage der Anwendbarkeit des § 84 HGB auf die Vermittlung künstlerischer Leistungen unter dem Aspekt der Rechtsfortbildung zuzulassen (§ 543 ZPO).