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In einem von uns erfolgreich für eine Mandantin vor dem AG Koblenz geführten Verfahren wandte dieses die dreijährige Verjährungsfrist auch auf den Schadenersatzanspruch an. Der Mahnbescheid der Gegenseite führe mangels Individualisierung der Ansprüche auch nicht zur Hemmung. Nach richtiger Ansicht des AG Koblenz ist bei deliktischen Ansprüchen u.a. die Tatzeit anzugeben.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

 

 

 

Amtsgericht  Koblenz

Urteil vom 21.1.2015

142 C 486/14

IM NAMEN DES VOLKES

 

Urteil

In dem Rechtsstreit

F…..

gegen
Prozessbeyollmächtigter: Kai Jüdemann, Welser Straße 10-12, 10777 Berlin

wegen Urheberrechtsverletzung

 

hat das Amtsgericht Koblenz durch den Richter am Amtsgericht Lambert auf Grund der mündli-
chen Verhandlung vom 21.01.2015 für Recht erkannt:

1.         Die Klage wird abgewiesen.

2.         Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.         Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110  des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Be-
trags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von
110  des zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

Tatbestand.

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht auf Zahlung von Abmahnkosten und Schadensersatz wegen Verletzung von Urheberrechten in Anspruch. Sie macht geltend, die Zedentin Fa. Gr…. sei Inhaberin der urheberrechtlichen Auswertungs- und Vertriebsrechte für das Filmwerk „Extreme -B,,,“.

Die Beklagte war am 16.03.2010 Inhaberin eines Internetzugangs.

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen öffentlicher Zugänglichmachung des genannten Films auf Schadensersatz und Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch.

Sie hat die Beklagte nach Durchführung des Auskunftsverfahrensgemäß § 101 Abs. 9 UrhG als Inhaber eines Internetzugangs ermitteln lassen, über den u.a. am 16.03.2010 01 :53:56 Uhr der  genannte Film zum Herunterladen bereitgestellt worden sein soll.

Die Klägerin nimmt die Beklagte nunmehr auf Schadensersatz und Ersatz der Kosten für ein anwaltliches Abmahnschreiben vom 14.06.2010 in Anspruch.

Sie hat gegen die Beklagte einen gerichtlichen Mahnbescheid erwirkt, der ihr am 24.12.2013 zu gestellt worden ist.

Sie beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1151,80 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Pro-zentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

 

 

Sie beruft sich auf eine Verjährung der geltend gemachten Ansprüche.

Bzgl. des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten
Schriftsätze mit ihren Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da eventuelle Ansprüche der Klägerin verjährt sind und die
Beklagte berechtigt ist, die Zahlung zu verweigern (§ 214 Abs.1 BGB).

Gemäß § 195 BGB beträgt die Verjährungsfrist für die von Klägerseite geltend gemachten Scha- .
densersatz- und Aufwendungsersatzansprüche 3 Jahre.

Dies gilt auch für den von der Klägerin erhobenen Schadensersatzanspruch. Zwar findet nach §
102 S. 2 UrhG die Bestimmung des § 852 BGB entsprechende Anwendung, wenn der Verletzer
zusätzlich zu dem durch ihn verursachten Schaden durch die Verletzung des Urheberrechts et-
was auf Kosten des Berechtigten erlangt hat. In diesem Fall kann der Ersatzpflichtige auch nach
Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer Verletzung .des Urheberrechts
entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer unge-
rechtfertigten Bereicherung verpflichtet (§ 852 S. 1 BGB) sein. Dieser Anspruch verjährt in zehn
Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf seine Entstehung in 30 Jahren von der Be-
gehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an
(BGH, Urteil v. 27.10.2011, I ZR 175/10, Bochumer Weihnachtsmarkt). Der genannte Fall behan-
delt jedoch eine grundlegend andere Fallkonstellation, so dass die in diesem Urteil aufgestellten
Grundsätze auf Filesharingfälle nicht zu übertragen sind. Die dort klagende Verwertungsgesell-
schaft GEMA ermöglicht es nämlich gerade einem Nutzer, einen urheberrechtlichen Lizenzver-
trag über die von ihm gewünschte Musiknutzung abzuschließen. Demgegenüber besteht in Files-
haringangelegenheiten keine Möglichkeit, einen entsprechenden Lizenzvertrag abzuschließen.

Auf Beklagtenseite wurde daher nichts im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1 Var.2 BGB erlangt, da  keine Aufwendungen erspart wurden. Es verbleibt daher insgesamt bei‘ der dreijährigen Verjährungsfrist.

Die Verjährung beginnt gemäß § 199 Abs. 1 lift 1. und 2. BGB u.a. mit dem Schluss des Jahres,
in dem der Anspruch entstanden ist und in dem der Gläubiger von dem den Anspruch begründen-
den Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat.

Der Schadenersatzanspruch gemäß §97 Abs. 2 UrhG entsteht mit der Verletzung des Urheber-
rechts. Die Klägerin hat im vorliegenden Fall durch die Auskunft der Deutschen Telekom vom
21 ;05.2010 Kenntnis von der hinter der ermittelten IP-Nr. stehenden Person erlangt. Die Verjäh-
rung des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs begann daher an 31.12.2010 und endete
am 31.12.2013.

Entsprechend verhält es sich mit dem auf Erstattung der Kosten für die durchgeführte Abmah-
nung gerichteten Aufwendungsersatzanspruch. Zwar wird der Anspruch frühestens mit Zugang
der Abmahnung beim Abgemahnten fällig, denn die Abmahnung bzw. genau genommen deren
Zugang ist notwendige Voraussetzung des Abmahnkostenersatzanspruchs im Urheberrecht.
Wenn die Abmahnung nicht zugeht, kann sie ihr primäres liel – die Vermeidung eines Unterlas-
sungsprozesses – nicht erfüllen. Folglich wird der Zugang der Abmahnung in der Literatur inzwi-
schen nahezu einhellig für erforderlich gehalten (z.B. Kefterpütz in Wandtke/Bullinger,UrhR, 3.
Aufl. 2009, § 97a Rn. 13). So lange mithin die Abmahnung nicht zugegangen ist, sind demnach
die tatbestand lichen, Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage noch nicht erfüllt, so dass der Er-
satzanspruch auch noch nicht entstanden sein kann. Die Abmahnung datiert im vorliegenden Fall
vom 14.06.2010. Es kann daher unterstellt werden, dass sie auch im Jahr 2010 zugegangen ist.
Die Verjährung des geltend gemachten Aufwendungsersatzanspruch begann daher am
31.12.2010 und endete am 31.12.2013.

Ist das Verfahren erst nach Abgabe an das Amtsgericht Koblenz nach dem 14.02.2014 dort
rechtshängig geworden, so erfolgte dies mithin nach Verjährungseintritt.

Der Lauf der Verjährung ist auch nicht gemäß § 204 Abs. 1 lift. 3 BGB durch Zustellung des
Mahnbescheides am 17.12.2013 gehemmt worden. Voraussetzung einer Verjährungsunterbre-
chung gemäß § 204 Abs. 1 lift. 3 BGB ist, dass der Anspruch in dem Bescheid ausreichend indi-
vidualisiert bezeichnet ist (Palandt, Ellenberger, BGB, 74. Aufl., §204 Rdnr. 18 m.w.N.). Der

Schuldner muss erkennen können, welcher Anspruch gegen ihn geltend gemacht wird, wobei es
auf das Verständnis außenstehender Dritter nicht ankommt.

Nach § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO muss im Mahnantrag der Anspruch unter bestimmter Angabe der
verlangten Leistung bezeichnet werden. Die Angaben im Mahnantrag müssen somit eine hinrei-
chende Individualisierung der Ansprüche und Abgrenzung von anderen in Betracht kommenden
Ansprüchen ermöglichen (ZöllerNolikommer, § 690 ZPO Rn. 14). Dies bedeutet, dass bei delikti-
schen Ansprüchen – um die ‚es sich hier handelt – beispielsweise die Tatzeit benannt werden
muss, um die lndividualislerbarkeit herbeizuführen. Dies ergibt sich bereits aus der allgemeinen
Streitgegenstandslehre, der zufolge ein eindeutiger Lebenssachverhalt Teil des Streitgegenstan-
des ist (sogenannter zweigliedriger Streitgegenstandsbegriff). Im Mahnverfahren ist dies deswe-
gen von besonderer Bedeutung, weil der auf diese Art und Weise in Anspruch genommene
Schuldner erkennen muss, ob es sachgerecht ist, Widerspruch einzulegen und den Rechtsstreit
aufzunehmen. Denn eine einer Schlüssigkeitsprüfung zu unterziehende Sachverhaltsschilderung
kennt das Mahnverfahren nicht. Eine solche Entscheidung kann der Schuldner allerdings dann
nicht treffen, fehlt es an den Anspruch individualisierenden Beschreibungsmerkmalen. Dies führt
dazu, dass das diesem Rechtsstreit vorgeschaltete Mahnverfahren die klägerseits behaupteten
Verletzungshandlungen der Beklagten vom Januar 2010 nicht zum Gegenstand haben. Denn die
behauptete Verletzungshandlung ist, in der Anspruchsbezeichnung des Mahnantrags vom
20.12.2013 nicht genannt worden. Mag insoweit noch das Datum der Abmahnung und der erste
Teil der ansonsten nicht vollständig aufgeführten Geschäftsnummer mit den Daten des Abmahn-
schreibens übereinstimmen, so kann hieraus niemand entnehmen, dass es sich um die Geltend-
machung von Schadensersatzansprüchen bzw. Abmahnkosten wegen einer angeblichen Urhe-
berrechtsverletzung vom 16.03.2010 handelt. Der Begriff .Abrnahnunq“ oder .Abrnahnschrelben“
findet keine Verwendung, die Vorschriften der §§ 97 und 97 a UrhG können bei Laien nicht als be-
kannt vorausgesetzt werden. Es handelt sich auch nicht um einen „Unfall“.

Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass zwischen Abmahnung und Zustellung des Mahnbe-
scheides fast dreieinhalb Jahre verstrichen sind und gerade in den Abmahnverfahren der vorlie-
genden Art die in Anspruch genommenen Schuldner sich oftmals einer Vielzahl von Abmahnun-
gen und Abmahnverfahren ausgesetzt sehen.

Die Klage unterliegt daher mit der Kostenfolge des § 91 ZPO der Abweisung. Die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit fußt auf §§ 708 Ziff. 11, 711 ZPO.

 

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